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Schweizer Geschichte

Reformation und Gegenreformation

   

Die Reformation begann in der Schweiz wie in Deutschland als religiöse Erneuerungsbewegung und endete in einer tiefen politischen Spaltung zwischen den Städten des Mittellandes und der ländlich geprägten Zentralschweiz. Sie führte in den reformierten Gebieten zu einer strenger durchgesetzten öffentlichen Moral (und insgeheim Doppelmoral), in den katholischen Gebieten blieben Lebensfreude, Sinnlichkeit und volkstümliche Belustigungen (wie etwa das Tanzen) trotz moralistischer Bestrebungen der Gegenreformation eher geduldet. Hingegen brachte die Reformation keine grössere Freiheit, weder privat (im Sinne der Gewissensfreiheit) noch politisch (demokratische Rechte). Forderungen dieser Art wurden zwar wiederholt erhoben, fanden aber - von wenigen Ausnahmen abgesehen - kein Gehör.

Humanismus und Renaissance

Der Humanismus als neue geistige Strömung ging von Italien aus. Zentren der Bewegung waren Venedig, Florenz, Mailand, Ferrara und Rom. Gegen Ende des 14. Jahrhundert besannen sich Dichter und Gelehrte auf die antike, griechisch - römische Kultur zurück. Dieser Trend wurde durch Emigranten aus Byzanz (Konstantinopel) verstärkt: 1389 eroberten die Türken den Balkan, 1453 fiel auch Konstantinopel, Untergang des oströmischen Reiches. Die mittelalterliche Form der Theologie [Glaubenslehre], die Scholastik, die allein auf der kirchlichen Tradition beruhte, wurde in Frage gestellt. Die neuen Impulse bewirkten eine Wandlung des Lebensgefühls vom mittelalterlichen "viator mundi" [Pilger zur himmlischen Heimat] hin zum "faber mundi" [Schöpfer und Beherrscher der Welt]. Neues Ideal war der "uomo universale", die umfassend gebildete Persönlichkeit, die sich in Harmonie mit der Natur weiss "und alles kann, wenn sie nur will" (vom Universalgenie Leonardo da Vinci (1452 - 1519) schon fast perfekt verkörpert).

Das Luzerner Rathaus (1606) vereinigt Renaissance - Stil mit Altbewährtem Sichtbaren Ausdruck fand das neue Lebensgefühl in der so genannten Renaissance vor allem in Architektur, bildender Kunst (Raffael, Michelangelo, Botticelli) und Musik (reine Instrumentalmusik: Orlando di Lasso, Palestrina). Nördlich der Alpen verbreitete sich die Renaissance - Kunst mit Verzögerung, unter den Malern ragt Hans Holbein der Jüngere (1497 - 1543) heraus, der 1519 - 1532 in Basel lebte. Einen Aufschwung erlebte auch das Theater (William Shakespeare 1554 - 1616). In der Schweiz lieferte vor allem der Nationalheld Wilhelm Tell Stoff für ein engagiertes Volkstheater, das oft die Zeitumstände kritisch beleuchtete. Der reformatorische und gegenreformatorische Moralismus führte allerdings zum Verbot von Theaterspielen (1616 in Luzern, 1617 in Genf, 1624 in Zürich), da die Darsteller von lasterhaften Personen angeblich "hernach grad eben von diesen Lastern eingenommen" seien. Es muss hier offen bleiben, wieweit die moralischen Bedenken nur vorgeschoben wurden, um politisch unliebsame Kritik zum Verstummen zu bringen.

Die Universität Basel

Anstoss zur Gründung der Universität Basel, (der ersten und bis ins 19. Jahrhundert hinein einzigen in der Schweiz) bildete die Teilnahme zahlreicher Gelehrter aus ganz Europa am Basler Konzil (1431 - 1449). Theologie [Glaubenslehre] und Recht wurden bereits ab 1432 gelehrt, die formelle Gründung mit päpstlicher Bewilligung erfolgte allerdings erst 1460.

Der Gelehrte Erasmus von Rotterdam (1467 - 1536) wirkte ab 1521 in Basel. Erasmus suchte einen Ausgleich zwischen der neuen humanistischen Geisteshaltung und der christlichen Frömmigkeit. Sein Hauptwerk war eine wissenschaftlich aus z.T. voneinander abweichenden Handschriften erarbeitete Ausgabe des Neuen Testamentes in der griechischen Ursprache (1516). Wichtige Fortschritte in der Medizin sind Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus zu verdanken, der 1526 - 1528 als Stadtarzt wirkte.



Kirchliche Missstände

Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts herrschte nördlich der Alpen eine weitverbreitete Unzufriedenheit über

Seit dem hohen Mittelalter waren unzählige Reformbemöhungen in den Klöstern, auf Konzilen [Bischofsversammlungen], durch päpstliche Erlasse ebenso wie Reformbewegungen von besonders engagierten Leuten gescheitert. Die Ursache ist im letztlich unüberbrückbaren Gegensatz zwischen einer total der Machtpolitik verschriebenen Amtskirche (Papst, Bischöfe, wichtige Äbte) und den in der Bibel überlieferten Lehren des charismatischen Religionsstifters Jesus von Nazareth zu finden, auf die sich die Reformer - bei allen Unterschieden in der Auslegung und in den Schwerpunkten - immer beriefen.



Die Reformation Martin Luthers 1517 - 1521

In Deutschland hatte der Rechtsstudent Martin Luther (1483 - 1546) während eines Gewitters 1505 ein Bekehrungserlebnis und trat in ein Kloster ein, studierte Theologie und wurde 1512 Professor der Bibelauslegung. Seine persönliche Frage "wie kriege ich einen gnädigen Gott?" trieb ihn in ein intensives Bibelstudium. In den Paulus - Briefen fand er 1513 die Antwort: "Rechtfertigung" [Freispruch vor Gottes Gericht] erlangt der schuldverstrickte Mensch nicht durch Willensanstrengung oder gute Werke, sondern allein durch die Gnade [grosszügiger Verzicht auf Strafe] Gottes.

1517 schlug Luther 95 kirchenkritische Thesen an der Kirchentür der Schlosskirche von Wittenberg an. Sie verbreiteten sich rasch und lösten lebhafte Diskussionen aus. Die Kirche versuchte Luther als Ketzer [Verbreiter irriger Glaubensauffassungen] den Prozess zu machen, Luther wurde aber durch den Kurfürsten Friedrich den Weisen geschützt. 1520 verfasste Luther drei Programmschriften:

  1. "An den christlichen Adel deutscher Nation: von des christlichen Standes Besserung" (politisch: Forderung nach einem deutschen Reformkonzil)

  2. "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" (dogmatisch [die Glaubenslehre betreffend]: Von den sieben Sakramenten [zeichenhaften Feiern, die dem Menschen Gottes Zuwendung vermitteln sollen] seien nur Taufe und Abendmahl vom Evangelium [vom Neuen Testament der Bibel] her begründbar; sola scriptura: radikale Kirchenreform, nur die Bibel, nicht die kirchliche Tradtion sollte massgebend sein)

  3. "Von der Freiheit eines Christenmenschen" (ethisch: die Rechtfertigung des sündigen [schuldverstrickten] Menschen vor Gottes Gericht kann nur sola fide [durch den Glauben] sola gratia [als Gnade Gottes] erfahren werden)

Die Schriften Luthers sorgten für einen gewaltigen Anstieg der Buchproduktion, Flugblätter trugen die Grundanliegen Luthers in breiteste Bevölkerungskreise. 1521 wurden Luthers Thesen auf dem Reichstag in Worms diskutiert. Die Ächtung Luthers durch Kaiser Karl V. blieb wirkungslos, da Luther vom Kurfürsten Friedrich dem Weisen in Sicherheit gebracht wurde. 1522 erschien Luthers deutsche Übersetzung des Neuen Testamentes. Bis zu dieser Zeit gab es keine einheitliche deutsche Sprache, sondern nur eine grosse Vielfalt von Dialekten [Mundarten]. Durch die grosse Verbreitung der Lutherbibel entstand erst die weitgehend einheitliche neuhochdeutsche Schriftsprache, wobei sich das "Lutherdeutsch" in katholischen Gebieten erst im 18. Jahrhundert etablierte.

In Deutschland schlossen sich viele Fürsten Luthers Auffassungen an, Klöster wurden aufgelöst, kirchliche Güter verstaatlicht (Säkularisation). Luther heiratete 1525 eine ehemalige Nonne [Klosterfrau]. Viele Priester taten es ihm gleich. Als Luther 1525 in der Streitschrift "De servo arbitrio" die Überzeugung des Erasmus von Rotterdam scharf ablehnte, dass jeder Mensch einen freien Willen habe, wandten sich viele Humanisten von ihm ab.



Die Zürcher Reformation Zwinglis 1523

Huldrych Zwingli, Denkmal in Wildhaus Huldrych (Ulrich, Huldreych) Zwingli (1484 - 1531) stammte aus Wildhaus (Toggenburg SG), studierte bei Erasmus von Rotterdam in Basel sowie in Wien, wurde Priester und Pfarrer in Glarus. Als Feldprediger der Glarner erlebte Zwingli die Mailänderkriege und die Problematik der Reisläuferei hautnah mit. 1519 wurde er Leutpriester [Prediger und Seelsorger] am Grossmünster in Zürich. In seinen Predigten griff Zwingli Luthers Kritik an kirchlichen Missständen auf und wandte sich zudem gegen das Söldnerwesen. 1523 nahm der Zürcher Rat sein Reformprogramm ("67 Schlussreden") an, katholische Frömmigkeitsformen wie Fasten [Verzicht auf Fleisch am Freitag und in der Zeit vor Ostern], Wallfahrten [religiös motivierte Gruppenwanderungen zu einer Kirche mit Gebeten und Gesängen], Bilder von Heiligen in den Kirchen, die Messe [Gottesdienst mit formell streng geregelter Feier von Tod und Auferstehung von Jesus Christus], die klösterliche Lebensweise und der Zölibat [Eheholosigkeit der Priester] wurden nach und nach abgeschafft. Luthers und Zwinglis Ablehnung des Zölibats folgten der Empfehlung des Apostels Paulus, dass es besser sei, die Sexualität in der Ehe gesittet zu leben, als sich in Begierde zu verzehren [1 Kor 7,9] (oder sie heimlich auszuleben). Auch in Zürich wurden die Kirchengüter säkularisiert, der Staat verwendete sie für die Entlöhnung der Pfarrer, für die nun staatlichen Schulen und zur Unterstützung der Armen.

Der Abendmahlsstreit zwischen Zwingli und Luther

Zwingli war in vielen Punkten radikaler als Luther. So scheiterte 1529 am Marburger Religionsgespräch der Versuch, die Reformation auf eine einheitliche Plattform zu stellen. Hauptstreitpunkt war (und blieb zwischen Evangelischen [Lutheranern] und Reformierten [Zwinglianern/Calvinisten] bis heute) die Auffassung vom Abendmahl: Luther lehnte zwar die katholische Auffassung ab, wonach bei jeder Messfeier der "Opfertod" von Jesus Christus zur Sühnung der menschlichen Sünden wiederholt werde, aber er hielt am katholischen Glauben fest, dass Jesus in den sakramentalen Zeichen von Brot und Wein "real präsent" [anwesend] sei. Zwingli betrachtete das Abendmahl dagegen als eine blosse Erinnerungsfeier an ein einmaliges und nicht widerholbares Geschehen. Folgerichtig verdrängte in den reformierten Kirchen die Predigt als Auslegung der Bibel das Abendmahl aus der zentralen Stellung im Gottesdienst.

Die Zürcher Bibel

Zwischen 1524 und 1529 gab Zwingli in Zusammenarbeit mit seinem Studienkollegen Leo Jud, mehreren ehemaligen Chorherren und dem Buchdrucker Christoph Froschauer die "Zürcher Bibel" heraus. Die Teamarbeit der Zürcher wurde fünf Jahre vor Luthers "Wittenberger Bibel" fertiggestellt.
> Mehr: Entstehung und Bedeutung der Bibel im Judentum und Christentum

Die Ausbreitung der Schweizer Reformation

Die zürcherische Reformation breitete sich im Kanton Zürich, im Thurgau und in Teilen des Aargaus rasch aus, stiess aber wegen Zwinglis Kampf gegen das Reislaufen auf den erbitterten Widerstand der Zentralschweizer, die wirtschaftlich davon allzu abhängig waren. Bei den von der Tagsatzung einberufenen Religionsgesprächen von Baden (AG) (1526) waren die Altgläubigen noch in der Mehrheit.

In Basel führte Zwinglis Freund Johannes Oekolampad die Reformation an einzelnen Kirchen ein, während andere katholisch blieben. Erst 1529 zwang die reformatorisch gesinnte Mehrheit der Bürger den Rat mit Waffengewalt, die Reformation in allen Kirchen durchzuführen. Altäre und Bilder in den Kirchen wurden mit roher Gewalt zerstört.

Die drei rätischen Bünde, der Gotteshausbund (Engadin und Chur) von 1367, der Obere oder Graue Bund (Vorderrhein) von 1395 und der Zehngerichtebund (Prättigau, Arosa, Davos) von 1436 schlossen 1524 einen Bund, der die Befugnisse des Bischofs von Chur einschränkte. Viele Gemeinden im Bündnerland schlossen sich der Reformation bis 1526 an. Nach und nach setzten die Anhänger Zwinglis die Reformation in der Stadt St. Gallen (1527), in Bern (1528), Schaffhausen (1529), Glarus, in den äusseren Rhoden [Bezirken] Appenzells und im Toggenburg durch.

Die Berner Regierung erlaubte dem Franzosen Guillaume Farel de Gap 1526, in der Waadt (Untertanengebiet Berns) zu predigen. Farel trug die Ideen der Reformation (ab 1527 im offiziellen Auftrag Berns) 1530 nach Neuchâtel, Murten, Grandson und 1532 nach Genf.

Die Wiedertäufer

Die Reformation ermutigte dazu, dass jeder selbst die Bibel lesen und sich Gedanken über den richtigen Glauben machen konnte. In Zürich bildete sich eine Gemeinde von Wiedertäufern, die nur die freie Entscheidung eines Erwachsenen zum Glauben anerkennen wollten und deshalb die Taufe der Kinder ablehnten. Erwachsene, die sich zu ihrem Glauben bekehrten, wurden noch einmal getauft. Zwingli erreichte 1526, dass der Zürcher Rat die Wiedertäufer verbot, einzelne Anführer hinrichtete und die übrigen aus der Stadt verbannte. Mit der neuen evangelischen Freiheit war es also nicht allzu weit her ... Viele Wiedertäufer aus ganz Europa wanderten ab dem 17. Jahrhundert nach Nordamerika aus, um der religiösen Intoleranz zu entgehen. In Krisenzeiten waren Andersgläubige auch wirtschaftlich die Hauptbetroffenen.

Höhepunkt des Hexenwahns

Ebensowenig schritten die Reformatoren gegen den mittelalterlichen Hexenwahn ein, die Hexenverfolgungen nahmen im Gegenteil in katholischen wie in reformierten Gegenden noch zu und erreichten Ende des 16. Jahrhunderts ihren traurigen Höhepunkt, in der Waadt wurden allein zwischen 1590 und 1600 über 300 Frauen nach grausamsten Foltern als Hexen verbrannt. Einzig in Basel dämpfte der Einfluss der Universität den Hexenwahn etwas.


Die Kappeler Kriege 1529 / 1531

Zürich und Konstanz schlossen untereinander Ende 1527 ein evangelisches Burgrecht. Weitere Bündnisse Zürichs mit Bern, St. Gallen, Biel, Mühlhausen (Elsass, F), Basel und Schaffhausen beendeten die Isolation Zürichs 1528. Die Zentralschweizer Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug reagierten 1529 mit einem Bündnis mit Österreich (Christliche Vereinigung). Als die Schwyzer einen reformierten Pfarrer, der in der Gemeinen Herrschaft Uznach (SG) gepredigt hatte, als Ketzer verbrannten, zogen die Zürcher gegen die Mahnung der Berner, man könne "mit Spiess und Halbarte nicht den Glauben in die Herzen pflanzen" in den Krieg. Der Luzerner Landammann Hans Aebli konnte in Kappel am Albis (ZH) einen Kompromiss vermitteln, man einigte sich auf die Auflösung der Christlichen Vereinigung und die freie Predigt in den Gemeinen Herrschaften. Zur Versöhnung wurde die Kappeler Milchsuppe gegessen, zu der die Zentralschweizer die Milch, die Zürcher das Brot beisteuerten.

Der Erlass reformierter Kirchenordnungen in den Gemeinen Herrschaften Thurgau, Rheintal, Sargans und Freiamt (AG) erzürnte die fünf Zentralschweizer Orte. Sie weigerten sich 1531, den Büdnern gegen einen als Krieg gegen die Ketzer getarnten Raubzug eines italienischen Ritters zu helfen. Wieder suchte Zwingli eine militärische Entscheidung. In der Schlacht bei Kappel am Albis (ZH) 1531 trugen die Zentralschweizer dank ihrer Übermacht gegen die allein angetretenen Zürcher den Sieg davon, Zwingli selbst starb auf dem Schlachtfeld. Die Nachfolge Zwinglis in Zürich trat Heinrich Bullinger aus Bremgarten AG an.

Im Zweiten Kappeler Landfrieden wurde vereinbart, dass jeder Ort bei seinem Glauben bleiben sollte, die Gemeinden in den Gemeinen Herrschaften jedoch im Glaubensbekenntnis frei sein sollten. Rapperswil, das Gasterland und Weesen (SG), das Freiamt, Mellingen und Bremgarten (AG) waren aus dem Friedensvertrag ausgenommen und wurden wieder katholisch. Im Toggenburg wurde die weltliche Hoheit des Abtes von St. Gallen wiederhergestellt, die Gegenreformation blieb jedoch weitgehend wirkungslos.


Johannes Calvin und der Calvinismus

Der französische Rechtsgelehrte Johannes Calvin (1509 - 1564) wurde wegen seiner offenen Parteinahme für die Reformation 1533 aus Paris vertrieben. 1536 veröffentlichte er in Basel die "Christianae religionis institutio" [Lehre von der christlichen Religion], die auch seine Prädestinationslehre enthielt: Durch Gottes Vorhersehung sei vorausbestimmt, welche Menschen das Heil erlangen könnten und welche nicht. Die Menschen könnten an ihrer Fähigkeit zu strengster Pflichterfüllung sehen, ob sie zum Heil vorausbestimmt seien. Obwohl Calvin mit seiner Prädestinationslehre eigentlich die Allmacht Gottes und die Bedeutungslosigkeit des menschlichen Willens betonte, führte sie in Verbindung mit der strengen Moral, die Calvin in Genf einführte zu jenem Arbeitsethos, das die Grundlage für das Gewinnstreben im Kapitalismus bildete. Die auf den ersten Blick überraschenden und nicht eben geradlinigen Zusammenhänge wurden erst 1904 vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen Max Weber (1864 - 1920) entdeckt, sind aber bis heute umstritten geblieben.

Calvins Reformation in Genf 1536

Calvin wollte in Genf eigentlich nur durchreisen, wurde aber von Farel 1536 zum Bleiben bewegt. Farel war 1532 bei einem ersten Versuch am Widerstand der Altgläubigen in Genf gescheitert, kehrte aber 1533 unter dem Schutz Berns zurück, das mit der Aufkündigung des gegen Savoyen vereinbarten Burgrechtes drohte. Den savoyerfreundlichen Bischof vertrieb man 1533 wegen Hochverrats nach Annecy (F). Calvin konnte die Mehrheit der Genfer Bürger nicht dazu bringen, seiner strengen Kirchenordnung zuzustimmen. Nach einem Streit um die Form des Abendmahls verbannten die Genfer Calvin und Farel 1538.

Nach Neuwahlen wurde Calvin 1541 zurückgerufen. Gegen grossen Widerstand gelang es ihm nach und nach seine Vorstellungen von der Organisation der Kirche und seine strengen Sittenregeln durchzusetzen, die tief in die persönlichen Freiheiten eingriffen und allen Luxus, Wucher, Spiel, Tanz und sonstige Vergnügungen verboten. Calvin festigte seinen Einfluss durch die Einbürgerung französischer Glaubensflüchtlinge, 1555 verliessen nach einem gescheiterten Aufstand viele alteingesessene Familien Genf. Die Uhrmacherei wurde durch Glaubensflüchtlinge aus Lothringen und Orléans (F) nach Genf und in den Schweizer Jura gebracht.

1549 einigten sich Calvin und Bullinger in Zürich auf eine gemeinsame Lehre in der strittigen Abendmahlsfrage. Nicht ganz unbeteiligt daran war der Strassburger Reformator Martin Bucer (1491 - 1551) der einen grossen Teil seiner Kraft darauf verwandte, zwischen den Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin zu vermitteln und sie zu einer gemeinsamen Lehre zu bewegen. 1566 fasste Heinrich Bullinger in 30 Artikeln der "Confessio Helvetica posterior" die Lehren der Reformatoren Zwingli und Calvin zusammen. Der reformierte Glaube calvinistischer Prägung verbreitete sich über die Westschweiz hinaus in Frankreich (als Minderheit), Schottland, den Niederlanden, Polen (Minderheit), Ungarn und gelangte mit verfolgten Anhängern nach Amerika.

Auch Calvin sprang mit theologischen Abweichlern nicht eben zimperlich um: 1553 wurde im calvinistischen Genf, der französische Arzt und Philosoph Michel Servet, der die Lehre von der Dreifaltigkeit Gottes leugnete und deswegen aus dem katholischen Lyon geflohen war, als Ketzer hingerichtet. Calvins Mitarbeiter Guillaume de Trie hatte sowohl zu den Prozessen in Lyon wie in Genf entscheidende Hinweise und Dokumente geliefert, Calvin selbst verlangte die Verhaftung Servets in Genf. Dass Calvin sich für eine weniger grausame Hinrichtungsart als die Verbrennung einsetzte, ändert nichts daran, dass Calvin wie alle anderen Reformatoren davon überzeugt war, "dass es die Pflicht der christlichen Obrigkeit sei, Gotteslästerer, die die Seele töten, ebenso mit dem Tode zu bestrafen wie Mörder, die den Leib töten." (F. Wendel, Calvin, Neukirchen-Vluyn 1968, 78, zitiert nach: www.reformed-online.net: Der Fall Servet) Im Genf Calvins wurden u.a. auch 58 Frauen und Männer hingerichtet, die der Hexerei verdächtigt und für die Pestepidemie von 1542 - 1546 verantwortlich gemacht wurden.



Die Gegenreformation

Die Jesuiten

Luzern: Jesuitenkirche und Ritterscher Palast, Foto
 © 2002 M. Jud In Italien und Spanien verhinderten religiöses Nationalgefühl, kirchliche Verfolgung (Inquisition) und mässige Selbstreform der katholischen Kirche eine Reformation. Nach dem Reformkonzil von Trient (Tridentinum) 1545 - 1563 ging die katholische Kirche zum Gegenangriff über. Der 1534 vom spanischen Offizier Ignatius von Loyola nach einer schweren Verwundung gegründete Jesuitenorden, der dem Papst direkt unterstellt wurde, nahm dabei die Führung ein. In der Schweiz wurde die Gegenreformation besonders durch den Jesuiten und Mailänder Erzbischof Carlo Borromeo (1538 - 1584) vorangetrieben. Auf Borromeos Initiative stellte Luzern 1577 den Jesuiten den Ritterschen Palast zur Verfügung, die dort ein Kolleg (höhere Schule) einrichteten. Der Barock mit seiner monumentalen Prachtentfaltung spiegelt das Wiedererstarken der katholischen Kirche. Die Jesuitenkirche in Luzern (Bild links), 1666 - 1677 erbaut, ist die erste grosse Barockkirche der Schweiz.


Katechismus: Fragen und unterschiedliche Antworten zum Glauben

Martin Luther hatte schon früh eine Notwendigkeit gesehen, auf die wichtigsten Glaubensfragen klare Antworten in gedruckter Form zu geben. Er veröffentlichte diese in einer langen Version für Pfarrer und Lehrer (Grosser Katechismus) und in einer Kurzfassung für das Volk (Kleiner Katechismus, 1529). Der Katechismus [griechisch kata="herab, entgegen" und echein="schallen, tönen"] blieb in den meisten christlichen Kirchen bis weit ins 20. Jahrhunderts alleiniges Standard-Lehrbuch für den Religionsunterricht in Form von Fragen und Antworten.

Der holländische Jesuit Petrus Canisius (1521 - 1597) verfasste 1555 einen grossen katholischen Katechismus und 1556 den kleinen katholischen Katechismus und war ab 1580 als Leiter des Jesuitenkollegs in Fribourg tätig. Der im Volksmund Canisi genannte katholische Katechismus blieb in der Schweiz bis etwa 1970 im Gebrauch, wurde dann aber als Folge des vom 2. Vatikanischen Konzil ausgelösten Aggiornamento [Anpassung an die Neuzeit] durch modernere Lehrmittel ersetzt.

Der reformierte Kurfürst Friedrich der Fromme gab 1563 den Heidelberger Katechismus heraus, der zu den wichtigsten reformierten Bekenntnisschriften zählt. In den grossen reformierten Landeskirchen der Schweiz wurde der Heidelberger Katechismus bis nach dem 2. Weltkrieg allgemein als Lehrmittel eingesetzt, dann aber abgelöst. In anderen Ländern und bei Freikirchen gilt er allerdings auch heute noch als Richtschnur und Unterrichtsmittel.


Der Gregorianische Kalender

1582 ordnete Papst Gregor XIII. eine Reform des seit 46 v. Chr. geltenden Julianischen Kalenders an. Da die Berechnungen der alten Römer nicht allzu präzis gewesen waren, war der julianische Kalender gegenüber dem Sonnenstand bis 1582 etwa 10 Tage in Rückstand geraten. Der Gregorianische Kalender beseitigte den aufgelaufenen Fehler und verfeinerte die Regeln zum Einfügen von Schaltjahren, um den Fehler in Zukunft zu vermeiden. In der Schweiz sträubten sich die reformierten Kantone bis 1701 aus reinem antirömischem Trotz gegen die Einführung des verbesserten Kalenders, in Russland wurde er sogar erst nach der kommunistischen Oktoberrevolution 1917 (nach gregorianischem = heutigem Kalender fand diese im November 1917 statt) eingeführt.


Die Teilung Appenzells

Der Versuch einer Rekatholisierung Appenzell Ausserrhodens, der Kalenderstreit und der Konflikt um ein Soldbündnis mit Spanien führten 1597 zu einem Schiedsspruch der eidgenössischen Orte, der den Kanton in zwei Halbkantone mit einer gemeinsamen Stimme an der Tagsatzung aufteilte. Appenzell Ausserrhoden gab sich daraufhin eine neue Verfassung. Im Wallis wurden dagegen in den Visper Beschlüssen von 1604 die wenigen Reformierten vor die Wahl gestellt, dem neuen Glauben abzuschwören oder auszuwandern. Viele Reformierte kehrten jedoch nach kurzer Zeit zurück. 1619 wurde der Bischof ins Exil geschickt, 1627 die Jesuiten ausgewiesen. Daraufhin intervenierten die Zentralschweizer und setzten die Visper Beschlüsse von 1604 durch.


Die Bündner Wirren

Die Bündner Alpenpässe gewannen im 17. Jahrhundert strategische Bedeutung als kürzeste Verbindung zwischen dem spanisch (habsburgisch) beherrschten Mailand und dem Tirol. Dadurch wurde das Bündnerland auch für Frankreich als Gegner der Spanier interessant. Am 18./19.7.1620 drang eine Söldnertruppe aus Italien ins Veltlin ein und stachelte die katholisch gebliebene Bevölkerung des Veltlins zu einem Aufstand gegen ihre mehrheitlich reformierten Bündner Landesherren auf. Die Ermordung von 500 Protestanten im Veltlin durch Aufständische und eingedrungene Söldner bedeutete das Ende des Protestantismus im Veltlin und war Auftakt für die fast zwei Jahrzehnte dauernden so genannten Bündner Wirren. Die Aktion der Söldnertruppe war mit Spanien und Österreich abgesprochen, die Spanier besetzten das Veltlin und Österreich das Münstertal. Der Anführer der Söldnertruppe, Ritter Giacomo Robustelli war ein Verwandter der einflussreichen katholischen Familie Planta.

Am 25. 2. 1621 ermordete der ehemalige reformierte Pfarrer Georg (Jürg) Jenatsch (1596 - 1639) im Domleschg den Führer der Bündner Katholiken Pompejus Planta. Ende Oktober besetzten Spanien und Österreich Graubünden. Von den unter sich gespaltenen Eidgenossen kam nur aus Bern und Zürich Hilfe, Frankreich war geschwächt, während die Zentralschweiz unter Führungs des Abtes von Disentis auf der Seite der Spanier und Österreicher eingriff. Graubünden musste im Januar 1622 das Münstertal, das Unterengadin und das Prättigau abtreten.

Erst 1623 kam ein Bündnis mit Frankreich, Savoyen und Venedig zustande. Jürg Jenatsch und Ulysses von Salis warben mit französischem Geld ein 8000 Mann starkes Söldnerheer an und vertrieben die Österreicher. Der Friedensvertrag von Monzon (5.3.1626) zwischen Frankreich und Spanien bestätigte aber die politische und konfessionelle Selbstständigkeit des Veltlins. 1627 zogen sich die Franzosen zurück, das Veltlin wurde von päpstlichen Truppen besetzt. Ab 1631 vertrieben die Bündner unter dem französischen Herzog v. Rohan die Spanier. Als klar wurde, dass die Franzosen ständig in Graubünden bleiben, aber die Reformation im Veltlin nicht durchsetzen wollten, konvertierte [wechselte] Jürg Jenatsch 1635 zum katholischen Glauben und verbündete sich 1637 mit Österreich und Spanien. Die Franzosen zogen kampflos ab.

Am 24.1.1639 ermordete ein Sohn von Planta den Mörder seines Vaters. Am 3.9.1639 vereinbarten die Bündner mit Spanien die Rückkehr des Veltlins unter Bündner Hoheit, allerdings wurde dem Veltlin die freie Ausübung des katholischen Glaubens zugesichert. In zwei Verträgen mit Österreich kauften sich die Bündner schliesslich 1649 und 1652 von verbleibenden österreichischen Rechten im Gebiet des Zehngerichtebundes, im Münstertal und im Unterengadin los.


Die Villmerger Kriege 1656 / 1712

Nach der Vertreibung von 37 Reformierten aus Arth SZ, der Auslieferung von drei weiteren an die Inquisition [katholisches Glaubensgericht gegen Ketzer] und der Hinrichrichtung von vier Personen erklärte Zürich den fünf inneren Orten 1656 den Krieg, um die Bestimmungen des zweiten Kappeler Landfriedens zu revidieren. Rapperswil wurde erfolglos belagert. 9000 Berner zogen ins aargauische Freiamt ein. In Villmergen AG kam es zur Schlacht, bei der 573 Berner und 189 Zentralschweizer umkamen. Der Villmerger Landfrieden bestätigte die alten konfessionellen Regelungen.

Der zweite Villmerger Krieg wurde ausgelöst durch einen Aufstand der protestantischen Toggenburger gegen ihren weltlichen Herrn, den Abt von St. Gallen. Die inneren Orte nahmen Partei für den Abt, einen gebürtigen Luzerner, Zürich und Bern nutzten den Anlass, um 1712 noch einmal eine militärische Entscheidung zu suchen. Die Zürcher besetzten Wil SG und nach einer Belagerung Baden AG, die Berner Mellingen AG. Ein erster Friedensvertrag wurde von den Landsgemeinden Schwyz, Unterwalden und Zug nicht ratifiziert [angenommen], darauf kam es zur zweiten Schlacht bei Villmergen. Der Einsatz schwerer Geschütze kostete 2400 Todesopfer bei den Zentralschweizern, die Berner verloren 600 Mann. Im anschliessenden Vierten Landfrieden von Aarau wurde die seit 1531 bestehende Hegemonie [Vorherrschaft] der katholischen Orte in den Gemeinen Herrschaften durch eine reformierte abgelöst.



Die Bauernkriege

In den Städten liessen sich reiche Ratsherren von ausländischen Füsten und Königen für ihre Mithilfe bei der Rekrutierung von Söldnern beträchtliche Pensionen zahlen und die mit der Reisläuferei verdienten Gelder führten zu einer Teuerung. Die wirtschaftlich und politisch unfreien Bauern hatten die Lasten alleine zu tragen. So kam es während der Mailänder Kriege 1513 - 1516 zu verschiedenen Tumulten in der Berner Landschaft und im Luzerner Entlebuch.

Aufständische Bauern in den Kantonen Zürich, Bern, Basel, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau forderten 1523 - 1526 die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Minderung von Abgaben und politische Mitbestimmung. In Zürich nahm Zwingli eine gemässigte Haltung ein, der Rat hob 1525 die Leibeigenschaft auf und erliess den Zehnten von der zweiten Ernte, beharrte jedoch auf dem Grossen Zehnten auf der Haupternte. Solothurn und Basel minderten einige Abgaben, Bern und Schaffhausen schlugen die Aufstände mit Waffengewalt nieder. Die Thurgauer erhielten 1525 das Recht, sich aus der Leibeigenschaft loszukaufen, ein Jahr später wurde dieses Zugeständnis aber wieder abgeschafft.

In Deutschland kam es 1514 und 1524 zu Aufständen von Bauern gegen die mittelalterliche Standesgesellschaft (Adel - Klerus - Bauern) und die Frondienste. Die schwärmerische Bewegung berief sich z.T. auf aus dem Zusammenhang gerissene Thesen Luthers ("Von der Freiheit eines Christenmenschen"), es fehlten ihr aber klare einheitliche Ziele. Nach Anfangserfolgen artete der Aufstand immer mehr in ziellose Plünderungen, Mordanschläge und Brandstiftungen aus. Luther distanzierte sich 1525 scharf von den "mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern". Die Chance für einen gesellschaftlichen Wandel war in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert vertan. Die religiöse Volksbewegung der Reformation wandelte sich zu einem Machtkampf zwischen Fürsten und Kaiser / Papst.

Niklaus Leuenberger, 
Anführer der Emmentaler Bauern (Denkmal Rüderswil BE, 
errichtet 1903) Foto ©2003 Während desDreissigjährigen Krieges (1618 - 1648), der vor allem in Deutschland wütete, konnten die Schweizer Bauern Korn und Vieh mit grossem Gewinn in die vom Krieg verwüsteten Gebiete verkaufen, was die Teuerung auf den Zinsen wettmachte. In der nachfolgenden Friedenszeit fielen die Preise, aber die Zinslasten blieben gleich. So kam es 1653 zu einem grossen Aufstand, dem schweizerischen Bauernkrieg. Er begann im Entlebuch (LU) und breitete sich bald auf das Bernbiet, den Aargau, das Solothurnische und das Baselbiet aus. Die Tagsatzung beschloss, den Forderungen der Bauern nicht nachzugeben. Tausende von Bauern trafen sich zu einer Landsgemeinde in Huttwil (BE). Die Bauern aus der Ost- und Westschweiz blieben ihren Obrigkeiten treu und liessen sich gar gegen die Aufständischen auf's Schlachtfeld führen. Die schlecht ausgerüsteten Aufständischen unterlagen, ihre Führer wurden hingerichtet. Die Macht der Herren in den Städten nahm gar noch zu.



Literatur und Links zur Schweizer Geschichte zur Zeit der Reformation und Gegenreformation



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