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ALTE EIDGENOSSENSCHAFT 1291 - 1515 |
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Eidgenossen | |||||||
Um 1200 begannen die Walser, deutschsprachige Bewohner des Oberwallis, weitere Siedlungsgebiete zu erschliessen: über den Furkapass gelangten sie ins Urserental (UR), von dort über den Oberalppass ins Vorderrheintal (GR), wo sie sich neben den romanisch sprechenden Rätern in einzelnen Tälern festsetzten. Andere Walsergruppen überquerten den Simplon- und den Nufenenpass, gründeten im Tessin vereinzelte Siedlungen (Bosco/Gurin), während der Hauptharst via Bellinzona und den Splügenpass von Süden her abgelegene Bündnertäler wie das Avers besiedelten (die von Norden her erst im 20. Jahrhundert mit Tunnels und Brücken erschlossen wurden).
In anderen fast unbewohnten Hochtälern (am Rheinwaldhorn, rund um Obersaxen, im Safiental, Valsertal, in Langwies, Davos und im oberen Prättigau) errichteten Walser - gefördert von rätischen Adelshäusern, denen sie Abgaben entrichteten - viele Einzelhöfe. Die Walser behielten aber die deutsche Sprache bei und bedungen sich das Recht aus, ihre Verwaltung unter einem aus ihren Reihen gewählten Ammann [=Amts-Mann: in der Schweiz bis heute gebräuchliche alamannische Bezeichnung für Präsidenten einer regionalen Behörde: Gemeindeammann, Stadtammann, Landammann] selbst auszuüben. Das rätoromanische Sprachgebiet (im wesentlichen der Kanton Graubünden) wurde dadurch zerschnitten.
Der Gotthardpass war zwar schon in der Römerzeit bekannt,
der Zugang durch die Schöllenenschlucht zwischen
Göschenen UR und Andermatt UR jedoch kaum begehbar.
Die Walser erfanden eine Technik, hölzerne Stege an
senkrechten oder gar überhängenden
Felswänden aufzuhängen. Im Oberwallis gibt es
heute noch Bewässerungsleitungen in dieser Art.
So wurde nun um den senkrecht zum Fluss abfallenden Kirchberg
herum eine 60 m lange Holzbrücke erstellt, teils an Haken
in die Felswand gehängt, teils auf Balken gelegt, die
den Fluss quer überspannten. Damit war der Grund gelegt
für die Entwicklung des Gotthardpasses zum wichtigsten
Übergang in den Schweizer Alpen. Die heute noch
bestehende steinerne Teufelsbrücke (Bild rechts) war der Legende
nach nur mit Teufels Hilfe zu bewerkstelligen. Sie ersetzt wohl eine
ältere, einfachere Konstruktion.
1237 wurde der Ausbau des Saumweges im Tessin zwischen den Gemeinden in der Leventina und den Städten Como und Mailand vertraglich geregelt und die Gebühren für die Dienstleistungen der Säumer (Maultierhalter) festgelegt. 1239 errichteten die Habsburger eine Zollstelle in Reiden LU, um ebenfalls zu profitieren.
Bis zu ihrem Aussterben 1218 waren die süddeutschen Herzöge von Zähringen von den deutschen Königen mit der Verwaltung weiter Teile der heutigen Schweiz beauftragt, danach wurden die Vogteirechte über die Zentralschweiz zunächst den aufstrebenden Habsburgern (Stammsitz: Habsburg bei Brugg AG) verpfändet. Die Zähringer hatten auch viele Städte gegründet. Nach dem Aussterben des Geschlechtes wurden Zürich, Bern, Solothurn und Schaffhausen reichsfreie Städte. Die zähringischen Stammlande erbten die Grafen von Kyburg (bei Winterthur), die damit zur mächtigsten Adelsfamilie im Gebiet der Nordschweiz wurden.
Uri hatte durch die Eröffnung der Gotthardroute massiv an Bedeutung für das Deutsche Reich mit seinen norditalienischen Teilen gewonnen. So befürchteten die Urner ebenso wie der deutsche König, dass die ständig um die Vermehrung ihres Besitzes bestrebten Habsburger Uri zu einem Untertanenland machen würden. Es lag deshalb im beiderseitigen Interesse, dass König Friedrich II 1231 die Urner aus der Verpfändung an die Habsburger loskaufte und ihnen in einem Freiheitsbrief die Reichsunmittelbarkeit [direkte Unterstellung unter den König unter Umgehung der Grafen] zusicherte.
1240 brach ein Konflikt zwischen dem Papst und König Friedrich II aus, in dem Graf Rudolf III von Habsburg sich auf die Seite des Papstes stellte. Friedrich gewährte den Schwyzern die Reichsunmittelbarkeit und erhielt daraufhin mitten im Winter über den Gotthardpass militärische Unterstützung durch die Schwyzer.
Schon 1264 starb auch der letzte männliche Kyburger. Graf Rudolf IV. von Habsburg und Graf Peter II. von Savoyen [Gebiet südlich des Genfersees im heutigen Frankreich, kontrollierte damals auch die heutigen Kantone Genf und Waadt] stritten sich um das Erbe. Graf Rudolf IV. von Habsburg trat 1264 das Erbe seines kinderlosen Onkels Graf Hartmann IV. von Kyburg an (in etwa Kantone ZH, TG sowie Gasterland am oberen Zürichsee). Die Grundherrschaft über die Stadt Luzern wurde im April 1291 vom stark verschuldeten Kloster Murbach an König Rudolf von Habsburg verkauft.
Die Grafen von Habsburg
strebten nach dem deutschen Königsthron,
dazu mussten sie jedoch eine starke Hausmacht hinter sich
haben. 1257 hatten sich die deutschen
Kurfürsten nicht auf einen König einigen können.
Nach dem Tod des einen Königs Richard von Cornwall 1272,
blieb sein Gegenkönig Alfons X. der Weise machtlos. So
entschieden sich die Kurfürsten 1273, einen neuen König
zu wählen. Rudolf v. Habsburg nutzte dies und forderte eine
Neuordnung der
Lehen,
die seit 1245 ohne Zustimmung der Kurfürsten
vergeben worden waren. Dies betraf vor allem seinen Rivalen Ottokar II.
von Böhmen mit den Herzogtümern Steiermark und Österreich.
Die Rivalität wurde in der Schlacht auf dem Marchfeld
(Niederösterreich) entschieden, Rudolf wurde Herzog von
Österreich und deutscher König.
Als Geburstermin der Schweiz gilt allgemein der 1. August 1291 (Todesjahr des ersten deutschen Königs aus dem Haus der Habsburger, Rudolf von Habsburg). Die Alte Eidgenossenschaft entstand als loses Bündnis von drei Talschaften am Vierwaldstättersee in der Zentralschweiz: Uri (am oberen, südlichen Seeende gelegen), Schwyz (am nordöstlichen Seeufer) und Unterwalden (am westlichen Seeufer). Man lehnte sich gegen die Vögte der Grafen von Habsburg (Stammsitz: Habsburg im Kanton Aargau) auf. Ziel war nicht eine Loslösung vom Deutschen Reich, sondern die Rückgewinnung bzw. Verlängerung alter Autonomierechte.
Der
Bundesbrief
von 1291 ist ein lateinisch abgefasstes, kurzes Dokument, das von Form und Inhalt her
eine grosse Ähnlichkeit mit vielen anderen Dokumenten aus dem spätmittelalterlichen
Europa aufweist. Ursprünglich sollte damit wohl ein so genannter Landfriede
besiegelt werden. Der Zweck des Bundesbriefs dürfte einerseits die
Wahrung einer minimalen Rechtsordnung und Rechtssicherheit in Zeiten schwacher Zentralgewalt
gewesen sein, andererseits dürften lokale Führungsschichten nicht abgeneigt gewesen sein,
eben diese Situation auszunutzen, um die eigene Stellung zu festigen (gegen die im Bundesbrief
erwähnten fremden Richter).
(Vgl. dazu die interaktiven Lernprogramme im Bundesbriefmuseum in Schwyz.)
Die Datierung des Bundesbriefes auf das Jahr 1291 hält auch neusten Untersuchungen mit der C14-Methode stand: Das verwendete Pergament stammt tatsächlich aus dem späten 13. Jahrhundert! (Vgl. dazu das Video im Bundesbriefmuseum in Schwyz.) Der Bundesbrief von 1291 lag lange vergessen in Schwyz im alten Archivturm, und auch nach seiner Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert wurde ihm zunächst keine allzu grosse Beachtung geschenkt. Erst die Bildung von Nationalstaaten rund um die Schweiz herum um 1860 - 1880 und der Zeitgeist des wissenschaftsgläubigen 19. Jahrhundert (mit seiner Vorliebe für das mittels Experimenten oder wenigstens alten Urkunden Beweisbare) holte den Bundesbrief aus seinem Dornröschenschlaf. Im Zuge der Geistigen Landesverteidigung vor dem Zweiten Weltkrieg errichtete man in Schwyz ein eigenes Bundesbriefmuseum. Der Bundesbrief wurde damals in einer alleinstehenden Vitrine in einem kirchenähnlichen Raum wie eine Heilige Schrift ausgestellt. Dies und viele weitere Indizien deuten darauf hin, dass es sich bei der Geistigen Landesverteidigung um eine so genannte Zivilreligion gehandelt haben dürfte.
Bis etwa 1890 hielt man allerdings nach einer alten Überlieferung den
Rütlischwur
für das eigentliche grundlegende
Bündnis der Alten Eidgenossen und datierte ihn auf 1307, ebenso wie
den in einer bekannten Sage überlieferten Apfelschuss des Freiheitshelden
Wilhelm Tell
und den Tyrannenmord am Landvogt Gessler.
Der Rütlischwur soll auf der Rütliwiese am Abhang des Seelisberges am linken Ufer des Vierwaldstättersees stattgefunden haben. Die älteste schriftliche Quelle für dieses Ereignis ist das Weisse Buch zu Sarnen des Landschreibers Hans Schriber von Obwalden. Dieser sammelte um 1470 Urkunden und Sagen zum Ursprung der Alten Eidgenossenschaft. Im Weissen Buch zu Sarnen heisst es:
«... und kamen also ihrer drei zusammen, der Stoupacher zu Schwyz, und einer der Fürsten zu Uri und der aus Melche von Unterwalden, und klagte ein jeglicher dem anderen seine Not und seinen Kummer, ... Und als die drei einander geschworen hatten, da suchten sie und fanden einen nid dem Wald, ... und schwuren einander Treu und Wahrheit, und ihr Leben und ihr Gut zu wagen und sich der Herren zu erwehren. Und wenn sie etwas tun und vornehmen wollten, so fuhren sie für den Mythen Stein hin nachts an ein End, heisst im Rütli ...» (Hans Schriber, Weisses Buch zu Sarnen, um 1470, zitiert nach Chronik der Schweiz, S. 145)
Interessanterweise taucht hier wohl zum ersten Mal der Begriff Treu und Wahrheit bzw. Treu und Glauben auf, der - wiederum im Zusammenhang mit der Geistigen Landesverteidigung - eine zentrale Rolle im Friedensabkommens in der Schweizer Metallindustrie 1937 (Begründung der Sozialpartnerschaft) spielte.
Die Namen der drei Eidgenossen, die am Rütlischwur beteiligt sind, meint man seit Friedrich von Schillers Drama Wilhelm Tell genau zu kennen: Werner Stauffacher aus Schwyz, Walter Fürst aus dem Kanton Uri und Arnold von Melchtal - und dies, obwohl die älteste Quelle der Rütli-Sage die Vornamen nicht nennt!
Das Rütli, schon seit langem ein beliebtes Schulreiseziel, wird seit dem 700 - Jahr - Jubiläum der Schweiz 1991 mit dem "Weg der Schweiz" erschlossen. Die Bundesfeier am 1. August wurde erst 1891 als offizieller Nationalfeiertag eingeführt.
Erst als um 1890 in Bern die Idee aufkam, das 700-Jahr-Jubiläum der Stadt Bern und das 600-Jahr-Jubiläum des Bundesbriefs gemeinsam zu feiern, brach eine grosse Diskussion über den "echten" Ursprung der Alten Eidgenossenschaft zwischen den Zentralschweizer Urkantonen und den städtischen Industriezentren aus. Im Bewusstsein der breiten Bevölkerung durchgesetzt hat sich (dank unermüdlicher Arbeit der entsprechend ausgebildeten Lehrerschaft) letztlich diejenige Variante, die wohl am wenigsten mit der historischen Wahrheit übereinstimmt: Bundesbrief, Rütlischwur und die Taten von Wilhelm Tell wurden in einen unmittelbaren und direkten Zusammenhang gestellt und dafür das Datum des 1. August 1291 festgelegt. Wenn allerdings an der alten Überlieferung tatsächlich noch mehr dran sein sollte, als phantasievolle Ausschmückungen, dann müsste wenn schon auch das dazu überlieferte Datum 1307 korrekter sein, als die "Einheitsdatierung" auf 1291.
Die Zusammenlegung entspringt meines Erachtens dem Bedürfnis der Patrioten des 19. Jahrhunderts nach einer griffigen, klaren Ursprungsgeschichte für einen Staat, der inmitten von Nationalstaaten (die grosse politische Mode im Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts!) keine Einheit der Sprache, Kultur, Herkunft usw. vorzuweisen hatte, um seine Existenz zu rechtfertigen. So folgte man also nach längeren Auseinandersetzungen dem Trend der Zeit zur oberflächlichen "Wissenschaftsgläubigkeit" und gab der Jahreszahl 1291 des schriftlichen Dokumentes zu ihrem 600. Jahrestag den Vorrang, nicht ohne alsogleich - völlig unwissenschaftlich - Bundesbrief und Rütlischwur mitsamt der Tell-Legende zu einem in sich geschlossenen Komplex zu verweben.
Allerdings errichteten noch 1895 die Urner in ihrem Hauptort Altdorf das
Telldenkmal
und verewigten darauf trotzig die nach ihrer Auffassung "richtige"
Jahreszahl 1307. Ob und wann der legendäre Schweizer Freiheitsheld
Wilhelm Tell
gelebt hat und wie die Geschichte mit dem Vogt Gessler tatsächlich abgelaufen
ist, scheint mir aus heutiger Sicht nicht so wichtig. Sein Bild findet sich
jedenfalls nach wie vor auf der Rückseite jedes 5 - Franken - Stücks und wird
mit Vorliebe für politische Propaganda und allerlei Karrikaturen herangezogen, sein angebliches
Wohnhaus wird in Bürglen UR gezeigt und das Telldenkmal steht unverrückbar im Urner Hauptort
Altdorf.
Vielleicht lohnt sich immerhin die Lektüre des
Dramas Wilhelm Tell des deutschen Dichters Friedrich von Schiller
(Uraufführung 1804 im Weimarer Hoftheater, wird heute u.a. jährlich in
Interlaken
aufgeführt), ein Blick auf dessen
Entstehung und Wirkungsgeschichte
oder zumindest ein virtueller Besuch im
Tellmuseum Bürglen.
Nachdem die Habsburger zur Kaiserwürde aufgestiegen waren scheint es nur logisch, dass sie sich mit dem Freiheitswillen von ein paar tausend aufmüpfigen Bergbauern in ihren Stammlanden nicht abfinden wollten und versuchten, ihre Machtansprüche mit Waffengewalt durchzusetzen. Während Jahrzehnten erlitten sie dabei aber eine Niederlage nach der anderen und die Eidgenossen wurden immer selbstbewusster:
Lange blieben die Ur-Eidgenossen unter sich, dann traten Luzern (1332), Zürich (1351), Glarus und Zug (1352), sowie Bern (1353) dem Bund bei. 1411 wurde ein weniger weit gehendes Bündnis mit Appenzell, 1412 eines mit der Stadt St. Gallen (beide gegen das Kloster St. Gallen) abgeschlossen. Uri, Unterwalden und Luzern schlossen 1403 mit dem Bischof von Sion (VS) und den Oberwallisern Burg- und Landrecht. Als die Freiherren von Raron (VS) 1414 ihre Macht über das Wallis ausdehnen und die alten Rechte der Bauern einschränken wollten, kam es zum Aufstand der Oberwalliser. Da die Freiherren von Raron das Bürgerrecht der Stadt Bern (selbst von Adligen regiert!) erworben hatten, entstanden ob den gegensätzlichen Bündnisverpflichtungen ernste Spannungen zwischen Bern und den Urschweizern.
Weil Herzog Friedrich IV. von Habsburg am Konzil von Konstanz den Gegenpapst unterstützte, ermunterte der deutsche König König Sigismund die Eidgenossen, die Stammlande der Habsburger (Aargau) zu erobern, was sie 1415 auch taten. Im gleichen Jahr wurde Luzern freie Reichsstadt, d.h. sie war direkt dem König unterstellt. Gemeinden im nördlichen, an den Aargau grenzenden Kantonsteil (zB Pfeffikon) kamen 1415 unter Luzerner Herrschaft. Die Habsburger, die immer wieder zeitenweise den deutschen Kaiser stellten, verloren ihren Stammsitz und mussten sich auf ihre Besitzungen in Österreich zurückziehen.
Der Tod des kinderlosen letzten Grafen von Toggenburg 1436 löste Streitigkeiten zwischen Schwyz, Glarus und Zürich aus, die Ansprüche auf die Erbschaft erhoben. 1440 kam es zum Alten Zürichkrieg, in den der deutsche ebenso wie der französische König eingriffen. Der äusserst grausam geführte Krieg endete 1446 mit der Niederlage Zürichs, Schwyz und Glarus konnten ihr Gebiet am oberen Zürichsee erweitern.
1460 nutzten die Eidgenossen den von Papst Pius II. über Herzog Sigismund von Habsburg - Österreich verhängten Kirchenbann aus, um den Thurgau und das Sarganserland zu erobern. Das St. Galler Rheintal gelangte durch Pfandschaft an Appenzell, die Stadt Winterthur wurde von Zürich gekauft.
Auf Anstiften Berns und des französischen Königs traten die Eidgenossen 1474 in den Krieg mit dem Burgunderherzog Karl dem Kühnen, der in drei Schlachten (Granson, Murten und Nancy) vernichtend geschlagen wurde. Um Bern nicht zu mächtig werden zu lassen, überliess man 1478 Burgund aber gegen 150'000 Gulden Herzog Maximilian von Habsburg - Österreich, dem Erben Karls. Bern setzte sich in der Waadt und im Umland Genfs fest, konnte aber die Vorherrschaft über die Stadt Genf nicht erringen. Die neu erworbenen Gebiete wurden wie schon der Aargau nicht etwa befreit, sondern von den Eidgenossen als Untertanengebiet behandelt.
1477 traten Spannungen zwischen den Landorten und den Städten der Eidgenossenschaft zutage: die Landorte Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus schlossen mit dem Bischof von Konstanz ein Landrecht, Bern, Luzern und Zürich ein Burgrecht mit Solothurn und Fribourg (das eben seine Reichsunmittelbarkeit erlangt hatte). Die Aufnahme von Fribourg und Solothurn in die Eidgenossenschaft wurde zur Zerreisprobe: die Landorte fürchteten eine Übermacht der Städte und sperrten sich gegen die Erweiterung. Erst ein Vermittlungsvorschlag des Obwaldner Einsiedlers und früheren Ratsherrn, Richters und eidgenössischen Gesandten Bruder Klaus [in der Schweiz schon lange als Nationalheiliger verehrt, aber erst 1947 von Papst Pius XII. offiziell heilig gesprochen] führte 1481 zur Einigung im Stanser Verkommnis. Verhandlungen über die Aufnahme der Stadt Konstanz (D) am Bodensee scheiterten, weil Zürich Konkurrenz fürchtete. Dagegen kam es zu einem Bündnis mit dem Gotteshausbund (Engadin und Stadt Chur) (ohne Beteiligung Berns).
Der Schwabenkrieg von 1499 entzündete sich nicht etwa an grundlegenden Problemen mit dem Schwäbischen Bund, einer Vereinigung süddeutscher Städte, sondern an der Politik des deutschen Königs Maximilian I. aus dem Hause Habsburg, der die Teile des Deutschen Reiches wieder enger an sich binden wollte, ein neues Reichskammergericht und eine neue Wehrsteuer einführte. Den berühmten Funken am Pulverfass spielte die Besetzung des Klosters Müstair GR durch die Tiroler (A). In mehreren Schlachten im Bündnerland und entlang der Rheingrenze wurden die königlichen Truppen geschlagen. Maximilian I. musste im Frieden von Basel den Eidgenossenschaften die Gerichtsbarkeit über den Thurgau sowie die Unverbindlichkeit des Reichskammergerichts und der Reichssteuern zugestehen. Damit war die Schweiz faktisch vom Deutschen Reich unabhängig geworden. In der Folge traten 1501 Basel und Schaffhausen und schliesslich 1513 Appenzell als vollwertige Mitglieder der Eidgenossenschaft bei, während die Stadt St. Gallen sich weiterhin mit dem Status eines zugewandten Ortes begnügen musste.
Das Interesse der Zentralschweiz richtete sich mehr gegen Süden. Bereits 1403 hatten die Urner eine Schwäche Mailands ausgenutzt und die Leventina, den oberen Teil des Kantons Tessin käuflich erworben, 1410 / 1417 weitere Täler erobert und schliesslich 1419 mit Unterwalden Bellinzona gekauft. Mailand eroberte 1422 Bellinzona und die untere Leventina, mehrere Rückeroberungsversuche der Urner schlugen fehl.
Die Burgunderkriege steigerten das Ansehen der Schweizer Soldaten, französische und italienische Könige und Fürsten versuchten sich deshalb durch Soldverträge mit den Urkantonen die Unterstützung eidgenüssischer Söldner für ihre Kriegszüge zu sichern. Im Erbstreit des französischen Königs Louis XII. gegen den Herzog Ludovico Sforza von Mailand kamen gegen 30'000 Schweizer um. Im Jahr 1500 standen sich auf beiden Seiten Schweizer Söldner gegenüber. Um einen Bruderkampf zu vermeiden, schlossen diese über die Köpfe ihrer Auftraggeber hinweg ein Abkommen zum freien Abzug der Mailänder. Die Tagsatzung versuchte die Reisläuferei 1503 zu verbieten, allerdings ohne Erfolg. 1512 eroberten die Eidgenossen auf Drängen des Walliser Bischofs und Kardinals Matthäus Schiner Mailand und Pavia und behaupteten sich 1513 noch einmal in der Schlacht von Novara. Die Eidgenossenschaft stand auf dem Höhepunkt ihrer Macht.
Der französische König zog nun mit einer grossen Übermacht nach Italien und bot gegen den Abzug der Eidgenossen eine Summe von 1 Millionen Kronen an. Die Eidgenossen waren uneins und ohne zentrale Entscheidungsstrukturen kam, was kommen musste: Berner, Solothurner und Fribourger zogen ab, die Zentralschweizer dagegen nahmen den Kampf auf und wurden 1515 bei Marignano vernichtend geschlagen. Zwar konnten die Eidgenossen das Tessin halten, doch markiert Marignano das Ende der eidgenössischen Ausdehnung.
Die Alten Eidgenossen arbeiteten mit dem deutschen Kaiser zusammen, wenn er ihre Interessen angemessen berücksichtigte. Der Aufstand richtete sich also weder gegen das deutsche Reich noch gegen das österreichische Volk, sondern gegen die (im Sinne der heutigen Landesgrenzen) einheimischen, schweizerischen adligen bzw. kirchlichen Herren! Die Alpenkantone erkauften ihre Unabhängigkeit (Reichsfreiheit) mit dem Versprechen, den wirtschaftlich wichtigen freien Handel über die Alpenpässe ohne Rücksicht auf machtpolitische Spielchen (wie sie die Habsburger so gerne trieben) zu gewährleisten. Die im Spätmittelalter aufstrebenden Städte ihrerseits erreichten ihre Unabhängigkeit vom mittleren Adel (Fürsten und Grafen) ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen: Nur gegen mehr Freiheit und weniger starre, kleinräumige Regeln und Machtinteressen war der wirtschaftliche Aufschwung (im Interesse aller) zu haben.
Dasselbe Prinzip lag später den bürgerlichen Revolutionen in Frankreich (1798) und in weiten Teilen Europas (1848) sowie dem modernen Bundesstaat Schweiz (ebenfalls 1848) zugrunde. Umgekehrt scheiterten die kommunistischen Diktaturen in Osteuropa im 20. Jahrhundert letztlich an der Schwerfälligkeit ihrer staatlich gelenkten Wirtschaft. Diese Hintergründe sollten mitbedacht werden, wenn heute über das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union diskutiert wird: War es beim damaligen Stand der Wirtschaft und Technik nötig, schweizweit statt nach nach den Sonderinteressen der einzelnen Talschaften und Städte zu denken, so lassen sich für viele heutige Probleme nur europa- oder gar weltweite Lösungen finden. Nicht dass es dabei ganz ohne Regeln ginge (so wäre die Freiheit auch falsch verstanden) - ganz im Gegenteil: gerade auch die Wirtschaft braucht stabile Regeln, auf die man sich verlassen kann, und es ist wesentlich einfacher, wenn sie in ganz Europa oder gar weltweit einheitlich sind.
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