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Schweizer Geschichte

Die Wohlstandsgesellschaft

Wichtige Errungenschaften, Entwicklungen und Ereignisse der jüngsten Schweizer Geschichte sind:
Sozialpartnerschaft, Sozialversicherungen (AHV, BVG), Konkordanzdemokratie und Zauberformel, Kalter Krieg, Europäische Einigung, Gesellschaftlicher Wandel, Kultur und Kulturförderung, Umweltprobleme und Umweltbewusstsein, Globalisierung.

Nach dem 2. Weltkrieg erreichten technischer Fortschritt und Wirtschaftswachstum neue Dimensionen, besonders in den bereits industrialisierten Staaten Westeuropas, Nordamerikas und in Südostasien. Die Schweiz als zwar kleines, aber schon früh industrialisiertes Land konnte sich dank ihrer langjährigen Erfahrung im Maschinenbau, in der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie bei den Finanzdienstleistungen als bedeutender Mitspieler auf den Weltmärkten etablieren.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte aber auch bedeutende politsche und gesellschaftliche Veränderungen. Wären diese tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen nicht von einem Anstieg des Lebensstandards zu allgemeinem Wohlstand begleitet worden, hätten sie leicht zu schwersten inneren Konflikten führen können.



Sozialpartnerschaft

Das wichtigste Instrument der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind so genannte Gesamtarbeitsverträge (GAV), die grundlegende Anstellungs- und Arbeitsbedingungen für einen ganzen Betrieb, eine Branche oder eine Region festlegen. Die Schweiz sah im Obligationenrecht von 1911 als erstes Land Europas GAV als eigenständige Vertragsform vor. Bis die heute rund 1400 GAV aber konkret ausgehandelt und abgeschlossen wurden, dauerte es noch Jahrzehnte. Allerdings gibt es auch heute noch Branchen ohne branchenweiten GAV, z.B. die Telekom-Branche.

Noch in den 1920'er Jahren schien die Kluft zwischen den Industriellen und der Arbeiterschaft, aber auch zwischen sozialistischen und christlichen Gewerkschaften unüberbrückbar, im so genannten "Klassenkampf" wurde mit harten Bandagen gefochten. In den Industrieländern bestand eine starke Tendenz zu staatlichen Interventionen in der Wirtschaft. "Rechtsextreme Organisationen wie auch viele Katholisch-Konservative strebten eine berufsständische beziehungsweise korporative Ordnung der Wirtschaft an, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Berufsorganisationen zusammenfassen sollte. «Der letzte Zweck des korporativen Gedankens», so formulierte es Jakob Lorenz, Führer des frontistischen Aufgebotes und eifrigster Schweizer Propagandist des Ständestaates, «ist die Ersetzung des Klassenkampfes durch die organisierte Verständigung in der sozialen Korporation unter Mithilfe der staatlichen Autorität.» Die Verfechter des Ständestaates genossen päpstliche Unterstützung. In seiner Enzyklika «Quadragesimo anno» vom 15. Mai 1931 propagierte Papst Pius XI. - inspiriert vom faschistischen Modell Italiens - die berufsständische Ordnung als das «gesellschaftspolitische Ziel» Alle politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationen der Schweizerischen Katholisch-Konservativen bemühten sich in den folgenden Jahren um die Einführung der ständestaatlichen Ordnung. Der prominenteste Vertreter war der Zuger Philipp Etter, dessen Wahl zum Bundesrat anno 1934 die Frontisten begrüssten." (Stutz Hans, Frontisten und Nationalsozialisten in Luzern 1933-1945, S. 14).

Die faschistischen Diktaturen Hitlers in Deutschland und Mussolinis in Italien höhlten die Handels- und Gewerbefreiheit aus und griffen tief ins Wirtschaftsleben ein: "Den Unternehmen im Dritten Reich wurde vorgeschrieben, was und wieviel sie zu welchem Preis zu produzieren hatten." (Humbel Kurt, Treu und Glauben, S. 43) Selbst die USA führten eine staatliche Zwangsschlichtung bei Lohnstreitigkeiten ein. (Humbel, a.a.O., S. 44) So erliess auch der schweizerische Bundesrat 1936 einen Beschluss "über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung" (staatliche Preiskontrolle und schiedsgerichtliche Entscheidung von Lohnstreitigkeiten; Humbel, a.a.O., S. 44)

Dieser Vormarsch faschistischer Bewegungen einerseits und ständestaatlicher Ideen andererseits im Europa der 1930'er Jahre bereitete den Boden für ein Umdenken der Linken in der Schweiz: Sozialdemokraten und Gewerkschaften rückten vom Klassenkampf ab und schlugen versöhnlichere Töne an. 1937 schlossen die Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband der Maschinen- und Metallindustrie das so genannte "Friedensabkommen" ab: Die Gewerkschaften wurden von der Arbeitgeberseite endlich als vollwertige Verhandlungspartner anerkannt und verzichteten im Gegenzug auf Streiks. Das Friedensabkommen regelte auch ein Schiedgerichtsverfahren vor einem durch die Sozialpartner selbst bestimmten Gericht und war damit eine klare Absage an staatliche Interventionen nach faschistischem bzw. konservativem Vorbild. Obwohl in anderen Branchen nicht direkt kopiert, legte das Friedensabkommen der Metallindustrie eine allgemeine Grundlage für die Sozialpartnerschaft in der Schweiz.

Die seither von den Sozialpartnern [Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften] in vielen Branchen ausgehandelten Gesamtarbeitsverträge bewährten sich in Zeiten der Hochkonjunktur ebenso wie in Krisenjahren. Sie bringen den Arbeitnehmern ein hohes Mass an sozialer Sicherheit und tragen im Gegenzug durch die Vermeidung von Streiks zu einer hohen Produktivität bei. (Statistik GAV)

Folgende Tabelle zeigt die Wirkung der Sozialpartnerschaft in der Schweiz sehr deutlich auf:
Verlorene Arbeitstage je 1000 Beschäftigte
im Jahresdurchschnitt 1970-1985
Italien 1'276
Spanien 729
Grossbritannien 529
USA 269
Frankreich 166
Japan 83
BRD 51
Österreich 7
Schweiz 1.7
(nach Louis Dreyer, 50 Jahre Friedensabkommen - das Jubiläumsjahr, in: Brown Boveri Hauszeitung, Juli/August 1987, Baden: BBC, S.6)



Sozialversicherungen (AHV/IV, BVG)

Gut ausgebaute Sozialwerke (insbesondere die 1948 eingeführte staatliche Alters- und Hinterlassenenvorsorge AHV (1. Säule der Altersvorsorge) und die Invalidenversicherung IV, die obligatorische Kranken- und Unfallversicherung, die berufliche Vorsorge (private Rentenversicherungen als 2. Säule sowie die Arbeitslosenversicherung bilden ein tragfähiges soziales Netz. Die Schweiz wurde in den 1960'er Jahren zur Wohlstandsgesellschaft.


Die Invaliditäts-, Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV/IV)

Die Schaffung einer allgemeinen, staatlichen Vorsorgeeinrichtung, die Behinderten, Alten, Witwen und Waisen ein minimales Einkommen garantieren sollte, war ein altes Anliegen der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Bewegung. Eine AHV-Initiative 1925 scheiterte in der Volksabstimmung, der Gegenvorschlag des Parlamentes wurde jedoch angenommen und in der Bundesverfassung verankert. Verfassungsbestimmungen sind aber so kurz, dass sie nur in Ausnahmefällen direkt angewendet werden können. Bis zur Einführung der AHV 1948 dauerte es so noch 23 Jahre: ein erster Gesetzesentwurf wurde 1931 in der Volksabstimmung verworfen, erst 1947 fand das AHV/IV-Gesetz mit 862'036 zu 215'496 Stimmen (80 % Ja-Anteil) überwältigende Zustimmung. Die AHV/IV ist zu einer Institution geworden, die nicht mehr wegzudenken ist.


Volkspension oder Dreisäulenprinzip

Der Verfassungsauftrag verlangt, dass die Altervorsorge das Existenzminimum decken muss. Unmittelbar nach dem Krieg war man zunächst einmal froh darüber, dass die AHV wenigstens die ärgste Not der älteren Generation linderte. In den 1960er und 1970er Jahren besannen sich die Linksparteien und Gewerkschaften auf die alte Forderung nach existenzsichernden Renten. Eine Initiative der kommunistischen Partei der Arbeit (PdA) für eine Volkspension durch Ausbau der AHV wurde allerdings 1972 abgelehnt. Der Gegenvorschlag des Parlamentes für eine Altersvorsorge nach dem Dreisäulenprinzip (staatliche AHV, Berufliche Vorsorge und Selbstvorsorge) wurde dagegen angenommen.

Systemunterschiede

Bürgerliche Politiker malen in jüngster Zeit wegen der demographischen Entwicklung [Bevölkerungsentwicklung] düstere Prognosen für das Umlageverfahren der AHV: Es gibt immer weniger Kinder und gleichzeitig werden die Leute immer älter, d.h. immer weniger aktive Erwerbstätige müssen immer mehr Renten zahlen. Dabei verschweigen sie allerdings, dass dies keineswegs neu ist. Schon zwischen 1975 bis 2000 ist die Zahl der RentnerInnen von 100000 auf 150000 gestiegen - und trotzdem betrugen die AHV-Ausgaben ziemlich konstant zwischen 6% und 7% des Brutto-Inlandproduktes und blieben damit problemlos finanzierbar.

Umgekehrt ist das von bürgerlicher Seite hochgelobte Kapitaldeckungsprinzip der 2. und 3. Säule nur auf den ersten Blick sinnvoller: Jede(r) spart sich im Verlaufe des Lebens die eigene Rente an und ist damit scheinbar von der Überalterung sicher. Auf den zweiten Blick hat diese Lösung allerdings auch zwei schwerwiegende Nachteile:

  1. Wer Milliardensummen sicher und gewinnbringend anlegen will, muss dafür einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand leisten - und der muss auch durch die Vorsorgebeiträge bezahlt werden! Die Verwaltungskosten der AHV sind dank des Umlageverfahrens um ein Vielfaches geringer. Es kommt dazu, dass bei der Verwaltung der Pensionskassenvermögen privatwirtschaftliche Versicherungskonzerne und Banken nicht einfach eine Dienstleistung zu Selbstkostenpreisen anbieten, sondern kräftig verdienen.
  2. "Geld kann man nicht essen" oder anders gesagt: volkswirtschaftlich betrachtet, muss auch beim Kapitaldeckungsverfahren irgend jemand mit dem angelegten Geld arbeiten und dafür Zinsen bezahlen, sei es z.B. in Form von Kreditzinsen oder von Mietzinsen in Mietwohnungen, die von den Pensionskassen gebaut werden (und das ist heute schon ein grosser Teil der Mietwohnungen!). Wenn es aber aufgrund der Bevölkerungsentwicklung weniger Mieter gibt, nimmt der Wert der Wohnungen und damit des angesparten Vorsorgekapitals ab. So betrachtet, entgeht man dem Demographieproblem also nicht wirklich, sondern verschiebt es einfach auf eine andere Ebene: Das System funktioniert nur, wenn die Mieter immer grössere Wohnungen mieten und dafür höhere Mietzinsen zu bezahlen.

Das Gesetz über die Berufliche Vorsorge (BVG)

Das Bundesgesetz über die Berufliche Vorsorge, das Organisation und Leistungen der 2. Säule regelt, ist seit 1985 in Kraft. Grössere Unternehmen führen meist eine eigene Pensionskasse, kleine und mittlere Unternehmen sind gezwungen, sich einer so genannten Sammelstiftung anzuschliessen, die meist von privaten Versicherungsgesellschaften oder Banken geführt werden. Die ArbeitnehmerInnen können ihre Pensionskasse nicht frei wählen. Bei einem Stellenwechsel wird oft ein Teil der Arbeitgeberbeiträge von der alten Pensionskasse zurückbehalten. Die aufgrund einer Volksinitiative zustande gekommene Freizügigkeitsregelung beseitigt diese Ungerechtigkeit nur auf den nach BVG vorgeschrieben Minimalansätzen, im überobligatorischen Bereich ist die Freizügigkeit bei vielen Pensionskassen nicht voll gewährleistet. Dies wirkt als "goldene Fessel" für Mitarbeitende, welche die Firma verlassen wollen.

Noch bis vor kurzem wurde das Dreisäulenprinzip hochgelobt und im Ausland als Musterlösung hingestellt. Einzelne Problemfälle, z.B. firmeneigene Pensionskassen, die beim Konkurs einer Firma ebenfalls zahlungsunfähig wurden, weil sie einen allzu grossen Teil der Vorsorgegelder der Firma als Betriebskredite zur Verfügung gestellt hatten, wurden bagatellisiert. Zwar gibt es für solche Fälle einen Fonds, der die Renten sicherstellen muss, aber das kostet alle Versicherten natürlich auch wieder etwas ... Die jüngsten Turbulenzen an der Börse haben bei vielen Pensionskassen zu massiven Unterdeckungen geführt. Damit ist einer breiteren Öffentlichkeit bewusst geworden, dass gerade auch die 2. Säule sehr verletzlich ist. Seit der Bundesrat den Mindestzinssatz für Guthaben der 2. Säule gesenkt hat, macht das Wort vom "Rentenklau" die Runde. (Literaturhinweis: Rudolf Rechsteiner, Das 200-Milliarden-Geschäft. Pensionskassen in der Schweiz - Eine Einführung für Versicherte und Stiftungsräte. Zürich: Unionsverlag, 1984.)



Aus der Tiefkühltruhe geholt:
Die Mutterschaftsversicherung

Eine Mutterschaftsversicherung wurde im Familienschutz - Artikel 34quinquies der alten Bundesverfassung schon 1945 grundsätzlich vorgesehen, alle Anläfe zu einem konkreten Gesetz wurden aber bisher in Referendumsabstimmungen abgelehnt, sodass die staatsrechtlich eigentlich bedenkliche Situation eingetreten ist, dass eine Verfassungsbestimmung in der Praxis systematisch verletzt wird - aber in Respektierung des Volkswillens!

Im Dezember 2002 hat der Nationalrat einer Mutterschaftsversicherung im Rahmen der durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge (Lohnprozente) finanzierten Erwerbsersatzordnung (EO) [zur Deckung des Verdienstausfalls der Soldaten] zugestimmt, der Ständerat folgte im Herbst 2003. Die rechtspopulistische und rückwärtsgewandte SVP hat das Referendum ergriffen, ist aber vom Stimmvolk am 26.9.2004 deutlich in die Schranken gewiesen worden. Die Mutterschaftsversicherung wird somit auf Mitte 2005 in Kraft treten.



Konkordanzdemokratie und Zauberformel

In der gemeinsamen Abwehrhaltung gegenüber dem totalitären Nazi-Regime in Deutschland waren sich Sozialdemokraten und Bürgerliche in den 1930er Jahren ein wenig näher gekommen, zudem schärfte der Blick über die Grenze das Bewusstsein der Bürger gegenüber autoritären Politikern. Nach der Kriegswende vermochten die Sozialdemokraten bei den Wahlen von 1943 ihren Wähleranteil auf 28,6% zu steigern (1939: 25,9%) und wurden damit zur stärksten Partei. Angesichts der nach wie vor bestehenden äusseren Bedrohung fand sich im Dezember 1943 eine Mehrheit des Parlamentes bereit, erstmals einen Sozialdemokraten in den Bundesrat (Regierung) zu wählen und so Geschlossenheit der Schweiz zu demonstrieren.

Blenden wir kurz zurück: Das vertraute Bild einer demokratischen und harmonischen Alten Eidgenossenschaft entspricht leider nicht der Wirklichkeit: Bis 1798 beherrschten 5 kleine Landkantone und 8 Städte den Rest der Schweiz (ohne Bündnerland). Zudem drohte das lose Bündnis in der Reformation und Gegenreformation gar mehrmals zu zerbrechen. Nach einem gescheiterten Versuch mit einem zentral verwalteten Einheitsstaat (Helvetische Republik, 1798-1803) mit gleichen Rechten für alle Bürger wurden GR, VS und GE Vollmitglieder und die Untertanengebiete SG, AG, TG, TI, VD, NE selbständige Kantone. Nach einem halben Jahrhundert innerer Kämpfe zwischen Liberalen und Konservativen (notabene auch innerhalb der Kantone!) brachen die konservativen Regierungen der zentralschweizer Kantone Sonderbundskrieg vom Zaun. Der Sieg der Liberalen (Freisinnigen) führte 1848 zum modernen Bundesstaat und zu einer Alleinherrschaft des Freisinns.

Die rasche Industrialisierung erzeugte soziale Spannungen und führte zu Spaltungen innerhalb der liberalen Bewegung, zudem zeigte der Freisinn mit seiner Verfilzung von Politik und Wirtschaft erste Abnützungserscheinungen. Gleichzeitig bildete sich auch im konservativen Lager eine vorsichtig aufgeschlossene Strömung heraus. So wagte man es 1891 (zum 600-jährigen Jubiläum der in der Zentralschweiz gegründeten Eidgenossenschaft!), einen ersten aufgeschlossenen Vertreter der Konservativen Partei in den Bundesrat zu wählen und in die Regierungsverantwortung einzubinden. Wahrscheinlich hoffte man damit auch, die Benutzung der neuen Instrumente der Direkten Demokratie (Referendum und Volkinitiative) in Grenzen zu halten. 1919 (nach dem Generalstreik von 1918!) wurde der katholisch-konservativen Partei (heute: CVP) ein zweiter Sitz und 1929 (nach der Weltwirtschaftskrise!) der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB, heute Schweizerische Volkspartei SVP) ebenfalls ein Bundesratsmandat zugestanden: Die Freisinnigen hatten erkannt, dass sie die Macht teilen mussten, um in dieser schwierigen Zeit nicht allein für die grossen Probleme verantwortlich gemacht zu werden.

Aussen vor blieben zunächst die Sozialdemokraten. Zu unvereinbar schienen die Positionen im "Klassenkampf" zwischen dem Bürgertum und der Arbeiterschaft. Dies änderte sich in den 1930er Jahren, als zuerst die Sozialdemokraten und Gewerkschafter, dann nach und nach auch die Bürgerlichen erkannten, welche Gefahr für die Demokratie vom Faschismus und vom Nationalsozialismus ausging. Das eingangs erwähnte Friedensabkommen in der Metallindustrie und die neue Bereitschaft der Sozialdemokraten, sich nicht bloss für die Geistige Landesverteidigung, sondern auch für die militärische einzusetzen, veränderten die politschen Verhältnisse in der Schweiz grundlegend und - wie man im Rückblick festhalten kann - nachhaltig. Zudem hatten die Sozialdemokraten in Städten wie Zürich und Biel in dern 1920er und 1930er Jahren bewiesen, dass sie - entgegen bürgerlichen Vorurteilen - durchaus fähig sind, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Im Kanton Bern wurde 1938 Robert Grimm, einer der Führer des Generalstreiks von 1918, in den Regierungsrat [Kantonsregierung] gewählt. Bei den Nationalratswahlen von 1943 wurden die Sozialdemokraten mit 29% der Stimmen und 56 von 194 Sitzen stärkste Fraktion [Parteigruppe]. Dass daraufhin mit Ernst Nobs auch der zweite, 1919 noch wie Robert Grimm zu einer Gefägnisstrafe verurteilte Führer des Generalstreiks zum ersten sozialdemokratischen Bundesrat gewählt wurde, erscheint aus dieser Perspektive nur als folgerichtig. Über den Generalstreik selbst allerdings legte man noch für Jahrzehnte einen Mantel des Schweigens und Verdrängens.

Nach einer weiteren Öffnung im Parteiprogramm («Wir anerkennen für unser Land, dass zwar die Klassen und die Klassengegensätze nicht oder noch nicht überwunden sind; aber wir fügen bei, dass auch wir Sozialdemokraten keine ausgesprochene Klassenpartei mehr sind und sein wollen» Walther Bringolf, SP-Präsident und Stadtpräsident von Schaffhausen, zit. nach Chronik der Schweiz, S. 572.) nutzen die Sozialdemokraten 1959 den gleichzeitigen (altersbedingten) Rücktritt von vier der sieben Bundesräte, um ihren Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz durchzusetzen. Gewählt wurde allerdings nicht der offizielle SP-Kandidat, Walther Bringolf, sondern Hans-Peter Tschudi. Bundesrat Tschudi erwarb sich über alle Parteigrenzen hinaus grossen Respekt und gilt als treibende Kraft für wesentliche Verbesserungen bei der AHV.

Von der Einführung der Zauberformel 1959 bis in die 1990'er Jahre sind die politischen Kräfteverhältnisse im Wesentlichen gleich geblieben: Auf einen Achtel der Sitze im Nationalrat kommt einer von sieben Bundesräten. Die Freiheitlich Demokratische Partei (FDP), die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) und die Sozialdemokratische Partei (SP) stellen je zwei Bundesräte (Regierungsmitglieder), die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP, sie hiess bis 1971 Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei BGB) stellt einen Bundesrat.

In den letzten Jahren hat die CVP in ihren Stammlanden (Zentralschweiz) sehr viele Sitze an die SVP verloren. Zudem hat die SVP 1999 die Wähler einiger aufgelöster Splitterparteien am rechten Rand des Parteienspektrums an sich gebunden. So konnte die SVP ihre Sitzzahl von 25 (1987/1991) auf 29 (1995) und dann gar erdrutschartig auf 44 (1999) und nochmals weiter auf 55 (2003) steigern. Die CVP hat 1999 und 2003 stark Wähleranteile eingebüsst, die FDP musste 2003 ebenfalls grössere Verluste hinnehmen. Dank des überproportionalen Gewichts der kleinen Kantone im Ständerat sieht das Verhältnis in der Vereinigten Bundesversammlung (Nationalrat und Ständerat zusammen, bilden das Wahlgremium für den Bundesrat) für die Wahlverliererinnen etwas weniger schlimm aus. Sitzzahlen in der Vereinigten Bundesversammlung (1999): FDP 60, SP 57, SVP 51, CVP 50. Weit abgeschlagen folgten 1999 die Grünen 9, die Liberale Partei 6, und übrige 13. Im Ständerat sind wie seit einigen Jahren nur die vier Bundesratsparteien vertreten. Die definitiven Ergebnisse des Wahljahres 2003 nach dem 2. Wahlgang für den Ständerat in einigen Kantonen SVP 55 NR + 8 SR (+12), SP 52 NR + 9 SR (+4), FDP 36 NR + 14 SR (-10), CVP 28 NR + 15 SR (-7), Grüne 13 NR (+4), Diverse 16 NR (-3). Damit hat sich der Trend weg von traditionellen Orientierungen zu einer bewussten Wahl erneut bestätigt.

Die Sozialdemokraten und die Grünen konnten insgesamt leicht zulegen und beweisen damit, dass auch eine differenzierte, wenn auch unbequeme Sachpolitik bei einer gewissen Wählerschicht erfolgreich sein kann. Dagegen sind die erdrutschartigen Gewinne der SVP mit ihrem grobschlächtigen Populismus vor allem auf die Glaubwürdigkeitskrise anderen bürgerlichen Parteien zurückzuführen, auf deren Kosten die Verluste gehen: die CVP kann die christliche Moral nicht mehr "verkaufen", v.a. wenn sie nicht vorgelebt wird, in der Famlienpolitik hat längst die SP die Führerschaft übernommen; die FDP gilt als Wirtschaftspartei und wird dafür bestraft, dass das Volk unter "Verantwortung übernehmen" mehr versteht, als mit dem "goldenen Fallschirm" abzuspringen, wenn der Absturz nicht mehr abzuwenden ist. Dass die SVP mit ihren plumpen Slogans wie "Mehr Schweizer Qualität nach Bern" und nicht umsetzbaren Radikalforderungen im Asylrecht keine wirkliche Alternative darstellt, stört die Protestwähler offensichtlich nicht besonders.

Die Zauberformel wurde oft totgesagt. In den letzten Jahren gebärdete sich die SVP in Sachfragen oft als Oppositionspartei und torpedierte damit mühsam ausgehandelte Kompromisse. Gleichzeitig fordert die SVP bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit eine grössere Machtbeteiligung. Trotzdem wurde die Zauberformel auch bis zum Dezember 2002 hochgehalten und auch die jüngste Bundesrats-Ersatzwahl am 10. 12. 2003 hat sie im Prinzip bestätigt - wenn auch mit einer Anpassung an die neuen Mehrheitsverhältnisse: Neu gilt 2 SVP, 2 SP, 2 FDP, 1 CVP. Das ist eine klare Absage an die Weigerung der CVP, sich im Vorfeld der Wahl auf eine ernsthafte inhaltliche Diskussion der Schwerpunkte für die nächsten vier Jahre einzulasssen und dafür einfach auf Machterhalt zu pokern. Mit der neuen Machtverteilung ist allerdings die inhaltliche Frage ebenso wenig beantwortet wie die Stilfrage. Man darf gespannt sein, ob die neue rechtsbürgerliche Mehrheit im Bundesrat der Versuchung erliegt, sich rücksichtslos durchzusetzen oder ob sie Zeichen aus dem Volk wie die in Rekordzeit von nur 48 Stunden gesammelten 83'000 Unterschriften für das Referendum gegen die 11. AHV-Revision ernst zu nehmen gedenkt.

Die Konkordanzdemokratie, die bei aller Härte der parlamentarischen Auseinandersetzung letztlich den allgemein akzeptierbaren "gut schweizerischen Kompromiss" sucht und die breite Abstützung der Regierung hat der Schweiz bis heute eine im Ausland oft beneidete politische Stabilität beschert. Umgekehrt wird die Schweizer Politik im Inland von manchen Leuten als langweilig empfunden. Ob die vom Fernsehen 1993 erfundenen Formen des politischen Schlagabtausches in der "Arena" [Name und Konzept einer regelmässig vor Volksabstimmungen ausgestrahlten politischen Diskussionssendung vor Studiopublikum] allerdings der Qualität der politischen Diskussion und der Entscheidungsfindung ebenso dienlich sind wie den Einschaltquoten, darf an dieser Stelle bezweifelt werden.



Kalter Krieg und Wettrüsten

Aufteilung der Welt in zwei Machtblöcke

Nach dem 2. Weltkrieg teilten die Grossmächte Sowjetunion [Russland unter der Herrschaft der Kommunistischen Partei], China, USA, Grossbritannien und Frankreich die Welt faktisch in Einflusszonen auf. Deutschland als Ganzes und seine Hauptstadt Berlin wurden in je vier Besatzungszonen aufgeteilt. Die westlichen Besatzungszonen wurden 1949 zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) zusammengeschlossen. Die Besatzungsmächte USA, GB und F sorgten 1945-46 in den Nürnberger Prozessen für die Bestrafung der wichtigsten Kriegsverbrecher, setzten ein Verbot nationalsozialistischer Parteien und Organisationen durch und überwachten den Demokratisierungsprozess. Spätestens seit den 1960'er Jahren gilt die BRD als stabile und mustergültige Demokratie.

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen und Teile von Polen wurden der Sowjetunion einverleibt und die deutsch-polnische Grenze nach Westen an die Flüsse Oder und Neisse verschoben. In Ostdeutschland (der sogenannt Deutschen Demokratischen Republik DDR), Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien und Albanien wurden demokratische Kräfte unter dem Vorwand der "Säuberung des Staates von Faschisten und Kriegsverbrechern" verfolgt und die Kommunistische Partei als Marionette Moskaus an die Macht gebracht.

Als "Kalter Krieg" wird die von 1945 - 1989 dauernde Phase des Wettrüstens der Supermächte USA und Sowjetunion (und ihrer Verbündeten in der NATO bzw. im Warschauer Pakt) bezeichnet, in der unvorstellbare Rüstungsarsenale angehäuft wurden, ohne dass es zu einem direkten Krieg zwischen den beiden Machtblöcken gekommen wäre.


Die Schweiz im internationalen Spannungfeld

Die Schweiz behielt formell ihre Neutralität bei, trat keinem der beiden Militärbündnisse bei, konnte und wollte aber auch nicht verleugnen, dass sie mit ihrer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung dem Westen nicht nur geografisch sondern auch ideologisch näher stand als den kommunistischen Diktaturen des Ostblocks. In vereinzelten Fällen waren gute Dienste der neutralen Schweiz gefragt, so u.a. 1953 in der bis heute bestehenden Kommission zur Überwachung des Waffenstillstandes zwischen Nord- und Südkorea. Mehrheitlich aber wurde der "Sonderfall" Schweiz belächelt oder gar als unsolidarisches Verhalten gebrandmarkt.


Volksaufstände und Flüchtlinge aus Osteuropa

Der Ungarn-Aufstand

In Ungarn entstand innerhalb der Kommunistischen Partei eine Gegenbewegung (1953 verkündete Imre Nagy den "Neuen Kurs", wurde aber gestürzt). Studenten forderten an Demonstrationen u.a. den Abzug der sowjetischen Truppen, die Auflösung der Geheimpolizei, freie Wahlen und Pressefreiheit. Der Volksaufstand im Oktober 1956 führte zunächst zum Rückzug der sowjetischen Truppen, wurde aber dann blutig niedergeschlagen. 200'000 Menschen flohen in den Westen, davon nahm die kleine Schweiz 10'000 auf (im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung etwa doppelt so viele wie das übrige Westeuropa).

Besetzung des Gebirgslandes Tibet

1950 besetzen chinesische Truppen das asiatische Gebirgsland Tibet, das sich eben unter der Führung des Dalai-Lama auf den Weg in die Moderne gemacht hatte. Nach einem gescheiterten Aufstand 1959 mussten Tausende fliehen. Auch in der Schweiz wurden viele Flüchtlinge aus Tibet aufgenommen.

Flucht aus der DDR und Berliner Mauer

Die ständige Abwanderung aus der so genannten Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in die BRD (dort als "Abstimmung mit den Füssen", in der DDR als "Republikflucht" bezeichnet), wurde durch die DDR-Behörden mit dem Bau von Grenzsperren ("Eiserner Vorhang") und im geteilten Berlin mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 gestoppt. Fast jeder vierte Bürger der BRD stammte aus den an Polen verlorenen Ostgebieten oder aus der DDR! Da die DDR-Flüchtlinge in der BRD volle Bürgerrechte erhielten, kamen nur wenige von ihnen in die Schweiz.

Prager Frühling und Intervention der Sowjetunion

In der Tschechoslowakei leiteten 1968 Alexander Dubcek und Ludvik Svoboda Reformen ein ("Prager Frühling"), die von der Sowjetunion durch einen Truppeneinmarsch im August gestoppt wurden. Wiederum flohen Hunderttausende, viele davon in die Schweiz. Wie schon die Ungarn wurden sie in der Schweiz von einer grossen Mehrheit der Bevölkerung herzlich aufgenommen, ihre Freiheitsliebe stiess auf viel Sympathie.


Geistige Landesverteidigung im Kalten Krieg

In der Schweiz wurde die Geistige Landesverteidigung nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Eindruck des Kalten Krieges weitergeführt. Rechtsbürgerliche Kreise versuchten, das Feindbild des faschistischen Nationalsozialismus ungeachtet aller Unterschiede 1:1 auf den Kommunismus der Sowjetunion (Stalin), Chinas (Mao Tse-Tung) und der von ihnen abhängigen Staaten zu übertragen.

Nicht zu bestreiten ist, dass es sich beim Stalinismus und Maoismus um um totalitäre Diktaturen handelte, in denen eine kleine Gruppe von Parteifunktionären die Geschicke bestimmte, die Wahlen zu Alibiübungen verkamen, Eigeninitiative behindert und politsche Gegner verfolgt, in Konzentrationslager (nach Hitlers Vorbild!) gesteckt und im Laufe der Jahrzehnte Millionen von Menschen ermordet wurden. Der "Kalte Krieg" war zudem auch nur aus europäischer Sicht "kalt", denn in Korea, Vietnam, Afrika und Lateinamerika wurden Hunderte von bewaffneten Konflikten "heiss" ausgetragen. Jeder dieser Kriege hatte lokale Ursachen und wäre höchstwahrscheinlich auch ohne den Ost-West-Gegensatz geführt worden. Dennoch beschreibt der oft gebrauchte Begriff "Stellvertreterkrieg" einen wichtigen Teilaspekt. So wenig es der Sowjetunion um die "Befreiung unterdrückter Völker" ging, so häufig unterstützte die westliche Supermacht USA in diesen Konflikten nicht die Sache der Demokratie, sondern diejenige von faschistischen Militärdiktaturen, die US-Firmen günstige Bedingungen anboten.

Man wird nicht ernsthaft bestreiten können, dass der Ostblock versuchte, sein Gesellschaftsmodell auch mit militärischen Mitteln zu exportieren. Das von der Geistigen Landesverteidigung gezeichnete Schreckgespenst der "Kommunistischen Weltrevolution" war also nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ebensowenig lässt sich aber verdrängen, dass weder die geistige noch die militärische Landesverteidigung der Schweiz Westeuropa inklusive der Schweiz vor eben dieser Weltrevolution bewahrten. Militärisch sorgte vielmehr das "Gleichgewicht des Schreckens" (gegenseitige atomare Abschreckung der Grossmächte) für Stablität. Politisch - und das war wohl wichtiger und vor allem nachhaltiger - dämpften der breit verteilte Wohlstand und die soziale Sicherheit im demokratischen Westeuropa die Lust der Bevölkerung auf revolutionäre Experimente.

Die Sozialdemokraten erkannten solche Zusammenhänge schon unmittelbar nach dem Krieg und distanzierten sich von der Geistigen Landesverteidigung, die ihnen den Weg zur Regierungsbeteiligung geebnet hatte. Sie konzentrierten sich lieber darauf, konstruktive Innen- und Sozialpolitik zu betreiben.

Die letzten unentwegten "Landesverteidiger" versuchten 1969, offensichtlich unter dem Schock der Ereignisse in der Tschechoslowakei, mit einem in alle Haushalte verteilten amtlichen Buch über Zivilverteidigung noch einmal das Schweizer Volk hinter sich zu scharen. Das in äusserst kriegerischem Tonfall geschriebene Buch löste heftige Diskussionen aus und wurde selbst in der bürgerlichen Presse mehrheitlich kritisch bis negativ beurteilt. Mit dieser fehlgeschlagenen Aktion war dann auch das Schicksal einer Bewegung besiegelt, die einst das ganze Volk geschlossen hinter sich geschart, aber durch die veränderten Bedingungen im Nachkriegseuropa im besten Sinne überflüssig geworden war.

Ein Blick auf die Wirkungen der Geistigen Landesverteidigung im Zweiten Weltkrieg, auf das rauhere soziale Klima der letzten Jahre seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und auf die im Vergleich zu Westeuropa wesentlich grösseren sozialen Ungleichheiten in den USA legt folgenden Schluss nahe: Die Errungenschaften des modernen Sozialstaates sind zumindest teilweise einer durch äusseren Druck geförderten Kompromissbereitschaft der Arbeitgeberseite sowohl auf der betrieblichen Ebene (Löhne, Arbeitszeit, Ferien) wie auch in der Politik zu verdanken.

Wenn gewisse Historiker die Geistige Landesverteidigung nach dem Krieg selbst als faschistisch bezeichnen, trägt dies wenig zur Erhellung der Sachverhalte bei. Vielmehr entsteht durch die damit erzeugte Assoziation [gedankliche Verknüpfung] von "rechtsbürgerlich" und "faschistisch" eine unnötige Begriffsverwirrung und letztlich eine gefährliche Verharmlosung des Begriffs "Faschismus". (Für diejenigen, die den wirklichen Faschismus nicht erlebt haben, entsteht nämlich folgender falscher Eindruck: "Wenn rechtsbürgerliche Scharfmacher als Faschisten bezeichnet werden, aber gleichzeitig auf Bundesebene und in vielen Kanton an der Regierung beteiligt sind, kann doch Faschismus gar nicht so schlimm sein". Aber genau das darf nicht passieren!) Es wäre deshalb sinnvoller, den Begriff Faschismus konsequent nur für die Faschisten in Mussolinis Italien (Ursprung des Begriffs), den ihnen wesensverwandten Nationalsozialismus in Hitler-Deutschland und für rechtsgerichtete Militärdiktaturen (Franco in Spanien, Pinochet in Chile etc.) zu benützen. Dann nämlich tritt klar zutage, dass Faschismus ganz wesentlich mit Polizeistaat, Folter, Konzentrationslagern und politischen Massenmorden zu tun hat.


Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE)

Für die Sicherung des Weltfriedens erwiesen sich - trotz aller zeitweiligen Rückschläge - letztlich internationale Organisationen als erfolgreicher. In der UNO konnte bzw. wollte die Schweiz bis vor kurzem nicht aktiv mitreden, hingegen beteiligten sich unsere Diplomaten durchaus erfolgreich an vertrauensbildenden Massnahmen zwischen Ost- und Westeuropa im Rahmen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ab 1973.



Europäische Integration

Europarat und Europäische Menschenrechtskonvention

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich der britische Kriegspremierminister Winston Churchill (u.a. in seiner Zürcher Rede von 1946) und viele Vetreter aus Widerstandsgruppen gegen das Nazi-Regime für ein neues, geeintes Europa ein. Daraus entstand 1949 der Europarat (Sitz: Strassburg) zur Wahrung des europäischen Erbes und des sozialen Fortschritts. Die Schweiz wartete zunächst mit einem Beobachterstatus ab und trat 1963 als Vollmitglied dem Europarat bei. In der beratenden Versammlung des Europarats treffen sich Delegierte der nationalen Parlamente. Leistungen des Europarates sind u.a. die Europäische Menschenrechts-Konvention, die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Universitäten, Vereinbarungen im Passwesen und die europäische Sozialcharta.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ermöglicht Personen aus den Mitgliedsländern der Europäischen Menschenrechtskonvention, eine tatsächliche oder vermeintliche Verletzung ihrer Menschenrechte durch die Behörden des Wohsitzlandes unabhängig überprüfen zu lassen. Dadurch werden die Grundrechte, die in den modernen Verfassungen der westeuropäischen Staaten garantiert sind, auch ganz konkret - sogar gegen den Staat - einklagbar. Wie andere Länder wurde auch die Schweiz vom Europäischen Gerichtshof schon mehrfach angewiesen, fragwürdige und diskriminierende Verfahren neu zu regeln.


Montanunion und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG

Nationale Vorbehalte u.a. von Grossbritannien verhinderten 1950/51 die Schaffung einer föderalistischen Europa-Union. Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und die BENELUX-Länder (Belgien, Niederlande, Luxemburg) vereinbarten 1950 einen gemeinsamen Markt für Kohle, Eisen und Stahl. Daraus entstand 1951 die Montan-Union und - nach dem vorläufigen Scheitern einer politischen Union 1952/53 - durch die Römer Verträge von 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG.


Europäische Freihandelszone (EFTA)

Als Alternative zur EWG schlossen sich Österreich, Dänemark, Norwegen, Portugal, Schweden, Grossbritannien und die Schweiz 1960 zur Europäischen Freihandelszone [European Free Trade Association EFTA] zusammen. Die EFTA beschränkte sich bewusst auf den Freihandel unter den Mitgliedstaaten. Gegenüber anderen Staaten pflegten die EFTA-Mitglieder weiter ihre eigenständige Handelspolitik. Auch eine weitergehende politische Zusammenarbeit wurde bewusst nicht angestrebt.


Freundnachbarliche Beziehungen

Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist, pflegt sie traditionell sehr enge Handelsbeziehungen mit deren Mitgliedern. Rund vier Fünftel der Schweizer Exporte gehen in die EU-Länder, bei den Importen ist die Abhängigkeit weniger drastisch.

Die Schweiz beteiligt sich auch an vielen europäischen Forschungsprojekten. Unter anderem ist Genf Standort des Europäischen Kernforschungszentrums (Centre Européen de Recherche Nucleaire), CERN "wo das Internet geboren wurde", als Tim Berners-Lee die Hyper Text Markup Language (HTML) als einfaches und effizientes Mittel zur Verknüpfung von Text und Grafik und zum Austausch von Daten zwischen Computern verschiedener Hersteller erfand.


Von der EWG zur Europäischen Union EU

Die Schweiz schaute zu, wie 1973 Grossbritannien, Dänemark und Irland der EWG beitraten, wie später Spanien, Portugal und Griechenland folgten. In der denkwürdigen Volksabstimmung vom 6. Dezember 1992 lehnte das Schweizer Volk selbst den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), gewissermassen einer "EU light" ab. So wurden unsere Diplomaten gezwungen, in mühsamer Kleinarbeit die wesenlichen Punkte dieses Pakets durch Bilaterale Abkommen nachzuverhandeln.

Im Sommer 2003 haben sich eine ganze Reihe osteuropäischer Staaten in Volksabstimmungen mit deutlichen bis überwältigenden Mehrheiten für den Beitritt zur EU entschieden. Auch die Mittelmeerinseln Malta und Zypern treten bei. Frankreich und Deutschland trieben und treiben den politischen Einigungsprozess langsam aber stetig voran. Dies zeigt sich nicht zuletzt am Namen: Zunächst signalisierte das Weglassen des "W", dass man mehr als wirtschaftliche Ziele verfolgte, schliesslich wurde aus der noch unverbindlicheren Gemeinschaft die Union. Gleichzeitig wächst die Gewissheit, dass die intensive Zusammenarbeit sich nicht nur wirtschaftlich lohnt: Die Zeit seit 1945 ist die längste Friedensperiode, die Westeuropa erlebt hat, seit Geschichte aufgeschrieben wird!
Zur Europafrage noch immer lesenswert: Rudolf H. Strahm, Europa Entscheid. Grundwissen für Bürgerinnen und Bürger mit vielen Schaubildern. Zürich: Werd Verlag, 1992.


Weshalb bleibt die Schweiz draussen vor der Tür?

In der Schweiz ist das Bewusstsein für solche Zusammenhänge allerdings noch nicht sehr weit verbreitet - könnte es sein, dass es uns auf unserer "Friedensinsel" (seit 1848) allzu bequem geworden ist? Oder gönnen wir Schweizer vielleicht den anderen Völkern nicht, dass sie unser Modell des Zusammenlebens von verschiedenen Sprachen und Kulturen durchaus erfolgreich neu erfunden haben, ohne jedes Detail unseres Modells zu kopieren? Sind wir etwa gekränkt, weil man im europäischen Einigungsprozess ganz gut ohne neunmalkluge Schulmeister und Ratgeber auskommt, die sich auf ihren Sonderfall so viel einbilden? Oder haben wir Angst, dass die Schweiz in einem geeinten und friedlichen Europa überflüssig werden könnte, wie dies weitblickende Schweizer wie der Dichter Gottfried Keller und die Staatsrechtler Hilty und Bluntschli schon im 19. Jahrhundert vorausgesehen haben? (vgl. dazu: Ulrich Im Hof: Mythos Schweiz, Zürich: Verlag NZZ, 1991, S. 169-172).



Gesellschaftlicher Wandel

Die Gesellschaft hat sich nach den Studentenunruhen von 1968 in ganz Europa tiefgreifend verändert. Religiöse und moralische Traditionen haben an Einfluss eingebüsst, umgekehrt werden Probleme offener diskutiert. Die schweizerische "Stop Aids" - Kampagne, eine Zusammenarbeit zwischen einer privaten Selbsthilfeorganisation und dem Bundesamt für Gesundheit ist ein gutes Beispiel für den neuen, offenen Geist, der keine Tabus mehr kennt und gerade deshalb rasch Problemlösungen hervorbringt.


Der lange Weg zum Frauenstimmrecht

Der Weg zur Gleichberechtigung der Frauen in Politik und Wirtschaft war in der Schweiz besonders lang und steinig. So wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz nach dem ersten und zweiten Weltkrieg zwar diskutiert, es kam damals aber zu keiner konkreten Verfassungsvorlage. 1959 sagten Bundesrat und Parlament zwar ja zum Frauenstimmrecht, aber die Mehrheit der Männer lehnte dessen Einführung in der Volksabstimmung ab. Erst seit 1971 sind die Frauen in eidgenössischen Angelegenheiten stimm- und wahlberechtigt. Die meisten Kantone und Gemeinde folgten innert wenigen Jahren, in den 1990'er Jahren musste dann auch noch der Kanton Appezell Innerrhoden auf ziemlich deutlichen Druck aus Bern endlich nachziehen. Andere europäische Länder waren der Schweiz weit voraus, so sind z.B. in Finnland die Frauen seit 1906, in der ehemaligen Sowjetunion seit 1917, in Östereich seit 1918, in Deutschland seit 1919, in den USA seit 1920, in Grossbritannien seit 1928, in Frankreich seit 1944 wahlberechtigt.

Der Frauenanteil im Parlament ist seit 1971 kontinuierlich von 5% auf 23% gestiegen. Allerdings bestehen zwischen den Parteien erhebliche Unterschiede: Bei den Grünen stellen die Parlamentarierinnen die Mehrheit 79% (7 von 9), bei der SP immerhin noch 37% (21 von 57), der LPS 33% (2 von 6), der FDP 25% (15 von 60), der CVP 18% (9 von 50), der SVP 6% (3 von 51), die kleinen Splitterparteien entsenden nur Männer nach Bern. 1983 lehnte das Parlament die Wahl der offiziellen SP-Kandidatin Lilian Uchtenhagen in den Bundesrat noch ab. Als erste Bundesrätin wurde 1984 die Freisinnige Elisabeth Kopp gewählt. Sie musste nach einem Skandal, den ihr Ehemann Hans Kopp eingebrockt hatte, zurücktreten. Die Wahl der zweiten Bundesrätin Ruth Dreifuss (SP) kam erst zustande, nachdem eine grosse Frauendemonstration auf dem Bundesplatz dem männerdominierten Parlament klargemacht hatte, dass nicht jede bürgerliche Machtdemonstration vom Volk akzeptiert wird.



Kultur und Kulturförderung

Nach dem 2. Weltkrieg stieg in der Schweiz wie in ganz Westeuropa der Einfluss der USA auf das Kulturschaffen - zumindest dort, wo ein Massenpublikum angesprochen wird.

Musik

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verdrängte die Popmusik die so genannte "Ländlermusik" [Volksmusik, vorwiegend mit Schwyzerörgeli [kleine Handorgel], Klarinette, Kontrabass, in Appenzell auch mit Geigen ergänzt] weit gehend aus den Plattenläden und etwas später auch aus dem 1. Radioprogramm. Obwohl es viele Rockbands in der Schweiz gibt, können diese in aller Regel nicht von der Musik leben und sind im Ausland kaum bekannt. Selbst in der heimischen Hitparade sind sie meist nur auf den Ehrenplätzen anzutreffen.

Lys Assia ("Oh mein Papa", 1948) gewann 1956 mit dem Titel "Refrain" (heute völlig unbekannt) den ersten "Grand Prix Eurovision de la Chanson", eine oft verschmähte, aber seit Jahrzehnten erfolgreiche internationale Fernsehproduktion auf Initiative der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Céline Dion holte 1988 mit "Ne partez pas sans moi" einen zweiten Titel für die Schweiz.

Im Bereich der Klassischen Musik und des Jazz profiliert sich die Schweiz weniger mit bekannten Künstlern als durch die Veranstaltung von Festivals, so u.a. des Lucerne Festival (1938 als Internationale Musikfestwochen (IMF) gegründet) und der Jazz-Festivals von Montreux und Willisau.

Literatur

Herausragende und über die Landesgrenzen hinaus beachtete Autoren waren Friedrich Dürrenmatt ("Der Richter und sein Henker" 1952, "Der Besuch der alten Dame" 1956, "Die Physiker" 1962; Motto: "Eine Geschichte ist dann zu Ende erzählt, wenn sie den schlimmst möglichen Ausgang genommen hat", Schwerpunkt: Recht und Gerechtigkeit) Max Frisch ("Stiller" 1954, "Homo Faber" 1957, "Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie" 1953, "Herr Biedermann und die Brandstifter" 1956, "Andorra" 1961 [man lese: Andorra=Schweiz, ein Schlaglicht auf den Antisemitismus in der Schweiz], "Biografie" 1967, "Wilhelm Tell für die Schule" 1971). Weiter zu erwähnen sind Adolf Muschg, Peter Bichsel, Silja Walter, Eveline Hasler ("Anna Göldi, die letzte Hexe").

Film und Fernsehen

In den 1950'er Jahren hielt sich das Filmschaffen der Schweiz an solide, wenn auch nicht ganz unkritische Vorlagen aus der einheimischen Literatur ("Uli der Knecht" 1954 nach Jeremias Gotthelf, "Wachtmeister Studer"). Eine gewisse internationale Bekanntheit erlangten die Schauspielerinnen Liselotte ("Lilo") Pulver und Ursula Andress (erstes James-Bond Girl, machte 1957 den Bikini populär).

Nach 1965 schuf eine neue Generation von Filmemachern mit (zu hohen?) künstlerischen Ansprüchen, aber kleinem Budget eine ganze Anzahl sehenswerter, aber kommerziell wenig erfolgreicher Filme. Die Deutschschweizer Kurt Gloor, Markus Imhoof ("Das Boot ist voll" zur Flüchtlingspolitik der Schweiz im Zweiten Weltkrieg), Fredi M. Murer und Peter von Gunten pflegten vor allem den Dokumentarfilm, während die Westschweizer Alain Tanner und Jean-Luc Godard Spielfilme drehten. Rolf Lyssy glückte 1978 mit der bissigen Komödie "Die Schweizermacher" (Karikatur der Methoden, mit denen die Fremdenpolizei Verhalten und Gesinnung einbürgerungswilliger Ausländer prüft - bekanntlich hat die Schweiz eine der tiefsten Einbürgerungsquoten in Westeuropa) die seltene Kombination von politischem Engagement und Publikumserfolg im Inland wie auch im deutschsprachigen Ausland.

Mäni Webers beliebtes Fernsehquiz "Dopplet oder nüt" (Ende der 1960'er Jahre) war schon im Titel als Kopie des deutschen "Alles oder nichts" erkenntlich. Hingegen verhalfen die mit versteckter Kamera gefilmten Szenen der Unterhaltungssendung "Teleboy" (1970'er Jahre) zu grosser Beliebtheit und dem Showmaster Kurt Felix zu einer Karriere in Deutschland ("Verstehen Sie Spass?" 1980'er Jahre). In den letzten fünf Jahren erlangten zwei vom Schweizer Fernsehen selbst produzierte Serien hierzulande Kultstatus: die Soap-Opera "Lüthi & Blanc" und die Sitcom "Fascht e Familie".

Insgesamt vermögen diese wenigen Highlights aber nicht darüber hinweg zu täuschen, dass auch und gerade in der Schweiz Hollywood sowohl die Kinosääle wie das "Pantoffelkino" dominiert.



Umweltprobleme und Umweltbewusstsein

Die 1950'er und 1960'er Jahre waren insgesamt von einer grossen Fortschrittsgläubigkeit geprägt. Über die Folgen des imposanten Wirtschaftswachstums, des allgemeinen Wohlstandes (Zentralheizung und fliessendes warmes Wasser für jeden Haushalt, ein Auto für fast jede Familie, Strassen- und Autobahnbau, stark zunehmenden Energieverbrauch) machte man sich kaum Gedanken.

Zuerst wurden die Probleme des Abwassers erkannt. Hiess das Motto im 19. Jahrhundert noch "Verdünnen und auf die Selbstreinigungskraft des Wassers vertrauen", so merkte man nun, dass mehr dafür getan werden musste. Auch der Kehricht, lange auf offenen Müllhalden deponiert, begann zum Himmel zu stinken. Die 1970'er und 1980'er Jahre waren die grosse Zeit des Baus von Kläranlagen (Abwasserreinigungsanlagen ARA) und auch von Kehrichtverbrennungsanlagen.

Eine Reihe von Umweltkatastrophen im In- und Ausland brachte weiten Bevölkerungskreisen die Risiken insbesondere der Chemischen Industrie und der Kernkraftwerke ins Bewusstsein:

Eines der Hauptprobleme ist verzerrte Wahrnehmung von Risiken und Gefahren in der Öffentlichkeit:
- schleichende werden bagatellisiert, man gewöhnt sich dran, hält sie für normal
- seltene Grossereignisse werden - nicht zuletzt durch Medieninteresse - aufgebauscht
Zu unterscheiden wären zwei Sorten von Ereignissen:
- reversible [umkehrbare]
- irreversible [nicht umkehrbare]
und somit unterschiedliche Gewichtung des zulässigen Restrisikos (wenn die Schweiz für Tausende von Jahren unbewohnbar wird, darf das Ereignis einfach nicht eintreten, zB sowas wie Tschernobyl, wenn die Fische im Rhein sterben, aber sich das Oekosystem nach einigen Jahren erholt, sieht es weniger dramatisch aus). Dennoch: Mehr 500 Strassentote pro Jahr, dazu 3300 Luft-Tote sind eigentlich völlig inakzeptabel, auch wenn man grundsätzlich akzeptiert, dass der Mensch irgendwann sterben muss. Aber nicht so! Die Zeitungspräsenz der jährlich 500 - 1000 Strassentoten in der Schweiz steht in einem absurden Missverhältnis etwa zu einem Flugzeugabsturz in den USA oder einem Eisenbahnunglück in Indien ("garantierter" Platz auf der Frontseite vieler Zeitungen mit Grossbild).



Globalisierung

Entkolonialisierung und Entwicklungszusammenarbeit

In den 1950'er und 1960'er Jahren erkämpften sich die ehemaligen Kolonien der europäischen Grossmächte ihre Unabhängigkeit. Damit stellten sich auch neue Herausforderungen im Aufbau von Infrastrukturen und Industrien. Die Schweiz war mit den so genannten Entwicklungsländern bis zu dieser Zeit in erster Linie durch kirchliche Missionen verbunden. In den 1960'er Jahren bauten sowohl die Bundesversammlung als auch private Institutionen Stellen für die Entwicklungszusammenarbeit auf, die damals noch patronal als Entwicklungshilfe bezeichnet wurde. Die privaten Institutionen lösten sich in den letzten 40 Jahre schrittweise mehr und mehr von ihrem kirchlichen Hintergrund.

Direktion für Entwicklungzusammenarbeit der Bundesverwaltung.
Interportal der privaten Hilfswerke und Organisationen, die sich mit Entwicklungspolitik befassen.

Nahostkonflikt

Antisemitismus und Judenverfolgungen besonders zur Zeit des deutschen Nationalsozialismus führten ab 1933 zu einer intensiven Rückwanderung der von den Römern 135 n. Chr. aus ihrer Heimat Palästina vertrieben Juden. Die dort ansässigen Araber betrachten dieses Gebiet, in dem ihre Vorfahren seit fast 2000 Jahren gelebt haben, auch als ihre Heimat. Man kann irgendwie nachvollziehen, dass die Rückkehr eines halben Volkes zum Konflikt führte. Dies gilt umso mehr, als die Besiedelung im Verhältnis zu den knappen natürlichen Ressourcen (Wasser!) ziemlich dicht ist.

Der Nahostkonflikt hatte und hat auch Rückwirkungen auf Europa und die Schweiz. In den 1970'er Jahren machten radikale Palästinenser mit Flugzeugentführungen auf sich aufmerksam. Unter anderem wurde auch eine Swissair-Maschine in die jordanische Wüste entführt und dort in die Luft gesprengt. Das Ereignis machte definitiv klar, dass die Schweiz keine Insel ist. Lange wollte man dies in der Schweiz nicht wahrhaben. Die jüngste Friedensinitiative, die mit der Unterstützung von Schweizer Privatleuten und des Aussenministeriums zu Stande gekommen ist, wird zwar sowohl von den Hardlinern in der israelischen Regierung wie auch von radikalen Palästinensergruppen erbittert bekämpft, sie hat aber dennoch in der Bevölkerung auf beiden Seiten ernsthafte Diskussionen ausgelöst und gibt Anlass zu vorsichtigen Hoffnungen.


Das Ende des "real existierenden Sozialismus"

Am 2. 5. 1989 öffnete Ungarn den eisernen Vorhang, es folgte ein Massenflucht aus der DDR via Ungarn / Österreich in die BRD. Am 12.6. 1989 besuchte der sowjetische Übergangspräsident Michael Gorbatschow die BRD und wurde begeistert empfangen. Es folgten der Fall der Berliner Mauer am 9.11.89 und die deutsche Wiedervereinigung am 12.10.1990.

Die Rückwirkung auf die Schweiz war nicht spektakulär. Aus etwas grösserer Distanz wird man aber sagen können, dass seither das soziale Klima in der Schweiz bedeutend rauher geworden ist und die Unterschiede zwischen Arm und Reich sich wesentlich verschärft haben.

Der UNO-Beitritt

Noch während des Zweiten Weltkrieges schmiedeten die Allierten (USA, Grossbritannien, Sowjetunion, Exilregierung Frankreichs) Pläne für die Sicherung des Friedens in der Nachkriegszeit. 1942 nannten sich die Allierten erstmals United Nations [Vereinte Nationen]. 1944 wurden die Strukturen (Vollversammlung, Sicherheitsrat mit festen und wechselnden Mitgliedern, Vetorecht der Grossmächte) festgelegt. Bei der formellen Gründung der United Nations Organization (UNO) durch 51 Staaten ermunterten die USA und Grossbritannien wegen der Auseinandersetzungen um das Nazi-Raubgold nicht eben zu einer Mitgliedschaft, während die Schweiz gegenüber der aus einem Kriegsbündnis hervor gegangenen Organisation neutralitätspolitische Vorbehalte hatte. Auch als die UNO längst zur einer wirklich weltumspannenden Organisation geworden war, tat sich das Schweizer Volk tat sich noch schwer und lehnte den Beitritt zur UNO 1986 ab. Erst als alle anderen Staaten der Welt Mitglied waren, erkannte eine klare Mehrheit 2002, dass ein weiteres Abseitsstehen völlig fehl am Platze wäre. Einmal mehr brauchte die direkte Demokratie etwas mehr Zeit zu einer Neuerung als das Parlament.




Literatur und Links zur Schweizer Geschichte nach dem 2. Weltkrieg



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